Highnoon der Virtuellen Stadtbücherei Würzburg

Die Stadtbücherei Würzburg hat in den letzten Jahren ja ruhmreiche Preise eingeheimst. Da ist dann natürlich kein Stillstand angesagt, sondern Innovationen gefragt. Und so eine wird es morgen geben: die virtuelle Stadtbücherei in Würzburg.

Ab morgen um 12 Uhr mittags kann jeder, der einen gültigen Büchereiausweis hat, Bücher und andere Medien über das Internet ausleihen. Und zwar so richtig virtuell. Die Bücher landen als PDF auf der heimischen Festplatte, die Audiodateien (Musik und Hörbücher) als WMA und die Filme als WMV.
„Toll“, wird da mancher Jäger und Sammler sagen, „da kann ich mit ja meine eigene Bibliothek auf der Festplatte einrichten“. Ähhh … nein. Die virtuelle Bibliothek funktionert fast genauso wie die reelle.

Kurz zusammengefasst: Jedes Medium gibt es nur in begrenzter Anzahl, normalerweise einmal. Genau wie in echt. Und wenn ich mir das Medium digital ausleihe, dann ist es in der Leihzeit für andere nicht auszuleihen. Und die Medien haben auch eine Leihfrist, je nach Medium ein Tag bis zu 14 Tage. Nach Anlauf der Leihfrist löscht sich da Medium auf der Platte nicht von selbst, aber es kann nicht mehr verwendet werden. Technischerseits sind alle Medien mit einem DRM versehen, diese digitale Rechteverwaltung kümmert sich darum und versucht einem Missbrauch vorzubeugen.

Ich hatte die Möglichkeit, die Virtuelle Stadtbücherei schon vorab mal zu testen. Alle Angaben in diesem Artikel beziehen sich auch den Stand 30. Mai 2007 um 16.30 Uhr. Das Ganze ist ein Pilotprojekt, da kann sich also noch einiges ändern.

Erst mal zu den positiven Seiten. Es ist ein schöner Service. Ich kann mir mitten in der Nacht den neuen Spiegel virtuell ausleihen und lesen. Schnell noch Urlaubslektüre für den Spontantrip? Kein Problem. Genauso wie ein Hörbuch für die nächste Zugfahrt nach Berlin. Für Stöberaktionen steht mir die echte Bibliothek im Falkenhaus ja nach wie vor noch zur Verfügung. Und — ein wichtiger Punkt für Leute wie mich — ich kann die Abgabefrist der virtuell ausgeliehenen Bücher nicht versäumen. Das DRM sperrt die Datei am Abgabetag und das Buch wird in der virtuellen Bücherei wieder als ausleihbar gekennzeichnet. Das spart mir Geld (das dann allerdings der Stadtbücherei fehlt) und kostet mich keinen Pfennig Cent mehr.

Nachteile und Kritikpunkte gibt es natürlich auch.

Technisches

Als virtueller Nutzer sollte man technisch schon nicht allzu weit hintendran sein. Die Spiegel-Ausgabe als PDF braucht schon 24 MB, die erst mal übertragen werden wollen. Filme haben gern mal ein paar hundert Megabyte. Mit dem Modem oder per ISDN sind solche Größen nicht unbedingt spaßig, ein Breitbandanschluss ist sehr ratsam.
Zum Lesen der PDFs braucht man mindestens die Version 7 des Acrobat Readers. Leider sind alle eBooks, die ich bisher virtuell ausgeliehen habe, als ETDs vorhanden. Diese kann ich bei mir zwar im Acrobat Reader 8 öffnen, aber er zeigt sie nicht mehr an. Stattdessen leitet er mich zur Seite der Adobe Digital Editions, einer Flash-basierten Software, die das eBook dann herunterlädt und anzeigt. Da kann ich meinen Traum abschminken, mit meinem Taschencomputer (PDA) am Strand zu liegen und den Roman als PDF zu lesen.

Ähnlich unglücklich ist es mit Musik und Videos. Die liegen alle im WMA- bzw. WMV-Format vor. Mein Windows Media Player auf meinem letzten Windows-Arbeitsplatz könnte das abspielen. Mein MP3-Player für unterwegs auch, aber die vielen, vielen iPods leider nicht. Und auch nicht mein Linux-Rechner daheim. Das DRM schränkt die praktischen Nutzungsmöglichkeiten doch schon recht stark ein.

Angebot

Noch ist das Angebot der Virtuellen Stadtbücherei recht dünn. Knapp 10.000 Medien sind zur Zeit auszuleihen, davon besteht die eine Hälfte fast nur aus Schulliteratur und die andere Hälfte fast nur aus klassischer Musik. Das liegt nicht mal unbedingt nur an der Bücherei, viele Verlage sperren sich noch gegen das Anbieten in digitaler Form. Und die Bücherei muss übrigens auch die Online-Ausgaben bezahlen, die meist mindestens genauso teuer sind wie ihre Offline-Pendants.

System

Im Prinzip ist das System der virtuellen Ausleihe ganz praktikabel. Doch es birgt auch ein paar Tücken in sich. So ist es recht leicht, beliebte Bücher auszuleihen ohne sie lesen zu wollen. Einfach so aus Spaß, damit andere es nicht lesen können. Zwar soll es eine Beschränkung der Anzahl der jeweils ausleih- und vorbestellbaren Titel geben, aber wenn sich genug Idioten zusammenfinden, kann man da auch ganz schön Sand ins Ausleihgetriebe streuen.

Blöd ist auch, dass ich Medien nicht schon vor Ablauf der Leihfrist wieder abgeben kann. Wenn ich ein Buch nur mal zum kurzen Nachblättern ausleihe, ist es 7 Tage gesperrt, auch wenn ich es nach 1 Stunde noch nicht mehr brauche. Da braucht man also keine Hoffnungen haben, dass ein sehnlichst erwartetes Buch schon vorher wieder zurück kommt.

Fazit

Noch ist es zu früh um ein wirkliches Urteil über die Virtuelle Stadtbücherei zu fällen. Sie befindet sich noch in der Entwicklung und es wird noch immer an allen Ecken und Enden gefeilt, sei es an der Benutzeroberfläche oder am Inhalt. Manche technischen Probleme sind auch nicht so einfach für die Stadtbücherei bzw. ihrer Partnerfirma diviBib selbst zu lösen, sondern liegen auch in anderen Händen, wie z. B. die praktischen Probleme mit der digitalen Rechteverwaltung. Auch das Angebot wird wohl erst nach und nach wachsen.
Am besten den Mitarbeitern der Stadtbücherei fleißig Rückmeldung geben — virtuell oder von Angesicht zu Angesicht.

Aber es ist ja nicht so, dass einem hier das Geld aus der Tasche gezogen wird, die Nutzung ist für Besitzer des Büchereiausweises kostenfrei. Und wer nicht sein Buch nicht am Bildschirm lesen will — das will ich auch nicht immer –, der kann ja nach wie vor ins Falkenhaus und dort seine Bücher ausleihen. Und auch hoffentlich wieder zurück bringen — das gilt vor allem für mich!

13 Gedanken zu „Highnoon der Virtuellen Stadtbücherei Würzburg“

  1. Ich finde das Projekt klasse. Offensichtlich hat es sich durchgesetzt, schließlich ist es noch aktuell. Nur schade, dass man als Einwohner einer anderen Stadt nicht darauf zugreifen kann…

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  2. Legt euch nen „PDF“ Druckertreiber zu, das ist ein programm, das simuliert ein Hardware drucker zu sein, damit kann man dokumente „virtuell“ drucken, also in eine PDF hinein, z.B. Webseiten, word dokumente oder eben andere PDFs…

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  3. Ja mei!

    Ich war doch auch so gespannt auf die virtuelle Bib und zählte sicher zu den ersten Besuchern. Leider wartete eine harsche Enttäuschung auf mich, schnüff.

    Als Apple-Nutzer hat man mal wieder das Problem, dass man die runtergeladenen Dateien nicht anhören/sehen kann. Der neueste WindowsMediaPlayer für MAC unterstützt die notwendigen Digital Rights Management Features (Jesses!)noch nicht.

    Aber der freundliche junge Mann von der würzburger Bibliothek hat mir einen tollen Tipp gegeben: einfach einen kleinen MP3-Player anschaffen, die Datei drauf ziehen, fertig.

    Dieser kleine MP3-Player liegt nun vor mir – ich probiers aus…lasst Euch überraschen.

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  4. Ja genauso sehe ich das auch. Warum sollte man ein Buch nicht mehrfach ausleihen können? Wird es auch von beliebten Büchern wie Harry Potter nur eine Ausgabe geben?
    Insgesamt jedoch eine tolle Sache.
    …da überlege ich mir doch glatt mir wieder mal einen Ausweis zuzulegen 😉

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  5. Was das ganze noch sinnloser macht..
    Denn ein Buch ist verliehen.
    Weg.
    In den Händen anderer.
    Aber gerade das digitale Medium bietet ja die Möglichkeit, mehrere Nutzer gleichzeitig in den Genuß kommen zu lassen.
    Schließlich sperrt auch keiner seinen Blog, „Der Blog wird grad gelesen, sie haben im Moment keine Zugriffsrechte“
    Und die Bücherei ist nunmal, für den Nutzer, kostenlos, wie ein Blog.

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  6. Ja, wie im Artikel angeklungen macht das DRM mich auch nicht glücklich. Aber ohne DRM wird wohl kaum ein Verlag seine Bücher, Filme oder Musik online nutzbar machen. Leider. Da muss wohl auf politischer und wirtschaftlicher Ebene noch einiges passieren.

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  7. Wow, die Idee, die dahinter steckt ist wirklich Klasse.
    Ok, Breitband muß sein, denn ich beschwehr mich ja auch nicht, dass ich immer nach Würzburg mit dem Auto fahren muß, wenn ich in die Bibliothek will;)

    das Rückgabesystem ist wohl noch nicht ganz ausgereift.

    Und naja.. DRM..
    Dass das dem Tode geweiht ist, ist wohl klar.
    Die StaBü muß es wohl noch aus rechtlichen Gründen übernehmen.

    Und zum Hack aufzufordern wäre strafbar!
    Somit lass ich das lieber bleiben und such mal meinen Ausweis..
    Der steubt bei meinen Eltern wohl irgendwo zu Hause vor sich hin:)

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