Kleine Läden und Kosumtempel

Nein, es war kein Weihnachtseinkauf. Das Patenkind hatte Geburtstag. Aber die Würzburger Innenstadt war voll mit Konsumaktivisten, die noch schnell die Weihnachtsgeschenke kaufen wollten, bevor dir Mehrwertsteuererhöhung doch noch vorverlegt wird.
Meine Schwester hat mir einen klaren Auftrag gegeben. Es sollte eine Brio-Eisenbahn sein, batteriebetrieben. Nun neige ich als qualitätsbewußter Einkäufer dazu, die Sachen in kleinen Fachgeschäften zu erwerben. Also ging ich in die Murmel in der Augustinerstraße. Ich wurde mit einem freundlichen "Hallo" begrüßt. Schon nach kurzer Zeit wurde ich von der Verkäuferin völlig zu recht als plan- und kinderlos eingestuft, denn sie kam bald zu mir und bot mir ihre Hilfe an.
Leider hatten sie keine Bahn von Brio vorrätig, dafür aber von Eichhorn. Doch die konnte ich die aus erziehungsideologischen Gründen nicht kaufen. Aber die Verkäuferin nahm sich trotzdem Zeit, erklärte dass man Brio und Eichhorn auch kombinieren könne, zeigte mir auch Alternativen zu der Eisenbahn. Das tat sie sehr unaufdringlich, ließ mich vieles mal ausprobieren und erklärte mir alles.
Die schwesterliche Order hieß aber eindeutig "Brio", und so musste ich die Murmel leider mit leeren Händen verlassen. Darum bekam die Galeria Kaufhof seine Chance. So ein Kaufhaus hat natürlich ein großes Sortiment, auch an Brio-Eisenbahnen. Doch leider war dieses große Sortiment hinter einem Stapel noch größerer Kunststoffkisten verborgen. So fragte ich die Verkäuferin, ob ich mal an die Regale mit den Holzeisenbahnen könne. "Wir räumen gerade aus" entgegnete mir die junge Dame. Das war zwar eine korrekte Antwort, doch leider auf eine andere Frage. Auf meinen Hinweis, dass ich doch gerne eine Brio-Lok kaufen möchte, kam wieder ein "Wir räumen gerade aus" aus dem Mund der Angestellten, die die Kisten mit einer beängstigenden Langsamkeit entleerte. Mir war klar, dass ich hier mit verbaler Logik nicht weiterkam, nur mit körperlicher Geschicklichkeit. Ich griff also blind hinter die Plastikbehälter und zog wahllos Schachteln hervor, in denen hin und wieder sogar Loks waren. Doch keine mit Batterieantrieb. Auf die kleinlaute Frage, ob sie keine elektrisch betriebene Züge hätten, erwiderte die Ausräumerin: "Kann ich Ihnen nicht sagen, da stehen die Kisten davor".

Es war wohl eine Lektion in Demut, die ich im Kaufhof erhielt. Geduld soll ein Käufer haben, innere Ruhe und Ausgeglichenheit soll sein Herz erfüllen. Und er soll nicht die Hohepriesterinnen des Konsums bei ihren Riten stören. Still soll er ausharren, bis seine Gebete erhört werden. Und so lange hinter den Kisten kramen, bis er endlich eine batteriebetriebene Brio-Bahn in den tauben Fingern hält, dieses gnädige Geschenk der Kommerzgötter.

2 Gedanken zu „Kleine Läden und Kosumtempel“

  1. Als ich während meines Studiums im Kuafhof gejobbt habe, ist so etwas natürlich nie vorgekommen … 😉

    Ich war am Freitag in der Kaufhof’schen Spielzeugabteilung, aber die neue „Galeria“ hatte leider keine Fischertechnik.

    Empfehlen kann ich seit Freitag die Spielzeugabteilung vom DM (Müller) – die haben nicht nur eine große Auswahl und erträgliche Preise, sondern auch unheimlich freundliche Verkäufer – falls man das Glück hat, einen zu erwischen.

    In der „Murmel“ habe ich die gleichen Erfahrungen gemacht wie du: freundlich, kompetent, aber leider im Sortiment etwas eingeschränkt …

    Aber jetzt zum Wichtigsten: Hast du eigentlich noch bekommen, was du gesucht hast?

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