Hellseher gesucht

In der heutigen Ausgabe der Mainpost hat Manuela Göbel die Diskussion um die Arcaden in ihrem Kommentar auf den Punkt gebracht: es gibt keinen Punkt. Höchstens einen schmutzigen Fleck mit ausgefransten Rändern. Die Meinungen über das Projekt am Bahnhof liegen weit auseinander. Was bringen die Arcaden der Stadt Würzburg? Den Untergang der Innenstadt und der kleinen Geschäfte, sagen die Einzelhändler. Einen wirtschaftlichen und städtebaulichen Aufschwung prophezeit der Investor mfi. Doch jedem dürfte klar sein, dass beide Seiten vor allem ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen im Blick haben. mfi will Geld verdienen, genauso wie die Händler in der Stadt.

Falls es nun zum Bürgerentscheid kommt, wird es für den Normalbürger schwierig, die Situation objektiv zu beurteilen. So wie bei der Fußball-WM das Volk aus 80 Millionen Bundestrainer besteht, so bestehen im Falle der Arcaden die Einwohner der Stadt aus 120 000 Wirtschaftsexperten. Doch genau wie beim Fußball kann keiner in die Zukunft sehen. Es fehlen einfach unabhängige Fakten und deren Interpretation. Zwar werden Studien und Expertenmeinungen zur Sprache gebracht, doch auch die werden natürlich immer für die Argumente der jeweiligen Auftraggebers sprechen. Ob in den kommenden Wochen Klarheit geschaffen wird, bezweifle ich. Eher werden bei der Schalmmschlacht Steine in die Dreckkugeln gemischt.

Ich bin gefühlsmäßig gegen die Aracden. Warum? Ich glaube nicht, dass die Geldbeutel der Konsumenten so groß sind, sowohl die Arcaden als auch die bestehenden Läden in der Innenstadt am Leben zu erhalten. Wieso ich das glaube? Keine Ahnung — und genau darin besteht das Problem. Keiner kann voraussehen, wie die Arcaden ankommen würden und wie die Auswirkungen auf den Einzelhandel wären. Kämen wirklich so viele Käufer aus dem Umland? Würde die neue Konkurrenz die Geschäfte in der Innenstadt auf neuen Ideen bringen?
Um eine Prognose abzugeben, müsste man das komplexe System aus Wirtschaft, Politik und Psychologie wirklich durchschauen. Aber wer kann das schon? Ich nicht!

Eine Entscheidung muss von den Bürger Würzburgs gefällt werden. Und da nützt die Schlammschlacht, die der Einzelhandel und der Investor betrieben, herzlich wenig. Es fehlen Fakten. Was bringen die Arcaden? Was passiert mit der Stadt, wenn die Arcaden nicht kommen? Welche Läden würden am Bahnhof eröffnen? Welchen Einfluß haben die be- oder entstehenden Shopping Malls in Aschaffenburg und Schweinfurt?

Eine Entscheidung wird fallen. Und sie kann richtig oder falsch sein, das wird man aber erst im Nachhinein wissen. Es sei denn, man ist Hellseher. Ist hier ein Hellseher anwesend?

12 Gedanken zu „Hellseher gesucht“

  1. Ein paar provokant-bissige Gedanken zum Kampf der Verhinderer auf allen Seiten …

    Warum ist eigentlich in Würzburg grundsätzlich schon mal jeder größere (manchmal sogar minimale) Versuch einer VERÄNDERUNG beinahe sittenwidrig und erzeugt helle Aufschreie aller Pfründesicherer und vermeintlicher Stadtbewahrer?

    Warum müssen wir von allen Städten vergleichbarer Größe und (vermeintlicher) Bedeutung, hier immer an vordester Front der Ablehner jeglicher Innovation, struktureller Verbesserung und Modernisierung stehen, bis eines nicht allzu fernen Tages Würzburg zum Museum für Frankentouristen erstarrt ist? Weil wir dann dafür Eintritt an den Stadtgrenzen verlangen können?

    Warum ist das Althergebrachte, das Vertraute, das Bestehende angeblich stets besser, als etwas Neues, Frisches, Experimentelles, von dem noch niemand weiss, ob es nicht vielleicht ganz andere Chancen bieten wird, wenn selbst die langsamste Kultur das Wesen der Veränderung bereits in sich birgt? Nur hier nicht?

    Warum wirkt Würzburg selbst im Jahre 2006 für den vielgereisten Besucher noch immer wie eine Möchte-Gern-Metropole, eine Wäre-Schon-Gerne-Europastadt, eine wichtige Universitätsstadt mit dem Flair der provinziellen Idylle, statt aus ihrem Potential eine attraktive Lebendigkeit zu gestalten? Liegt es etwa an der Mentalität, an dem muffigen Geist der ewig Gestrigen, der durch die alten Gemäuer weht?

    Ach Reisender, kommst Du in das Herz Unterfrankens und hast Du das Pech, am tristen „Hauptbahnhof“ Deinen erwartungsvollen Fuss in diese Stadt zu setzen, dann mach am besten Deine Augen ganz fest zu, schau nicht auf halb-verfallene Kunstbrunnen, nicht auf graue Posthallen, geh‘ schnell an den schmuddeligen Pavillions des Bahnhofsplatzes vorbei und steuere lieber gleich stracks die barocken Sehenswürdigkeiten dieser Frankenwein-City an, gönn Dir einen guten Schoppen, bevor die Tränen kommen und reise bald weiter, wenn Dir Dein Herz nach einem lebendigen, metropoliten Flair steht …

    Oder wie es ein eingefleischter Kenner und Bewohner der Stadt einst böse formulierte: „Das Schönste an Würzburg ist – abzureisen!“ — Wollen wir das wirklich?

    Nachdenkliche Grüße
    LifeExplorer

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  2. Was Würzburg mehr brauchen könnte ist bestimmt kein dämlicher Starbucks. Alle Innenstädte Europas werden immer gleicher. Immer die selben beknackten Ketten, immer H&M, immer Pizza Hut, immer McD, immer Douglas, immer Media Markt – man kann die Scheiße echt nicht mehr sehen. Bald braucht man eigentlich nicht weit fahren um zu Bummeln, es gibt sowieso überall das selbe. Ob da ein Einkaufszentrum helfen wird? Vergesst es.

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  3. Hi,

    immerhin hat es der Investor (nehme ich an) nötig, in der Main Post mit einer ganzseitigen, als Redaktions-Inhalt getarnten, Anzeige (im Zeitungs-Bericht-Stil) für die Arkaden zu werben. Das gibt mir ein wenig zu denken.

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  4. @Beatrice Weder di Mauro: Ich kaufe seit über 40 Jahren Geschenke, Möbel und Klamotten vorwiegend in Würzburg. Wieso auch nicht? 🙂 In Frankfurt, wo ich privat öfters verweile, finde ich auch nichts anderes.

    Noch mehr Bars, Kneipen und Cafes? Daran mangelt es mir in Würzburg nicht, bisher habe ich für jede Stimmungslage eine geeignete Lokalität gefunden. Kennen Sie sich hier überhaupt aus? 😉

    Das die Wurzel allen Übels in der städtischen Psyche liegt, glaube ich nicht. Wobei der eher konservative Tonus der Stadt die Sache sicher nicht erleichtert, da stimme ich ihnen zu. Aber ich sehe, wie viele in meinem Bekanntenkreis auch, die Probleme letztlich im Wirtschaftlichen. Und dieses Gejammere über die fränkische Unbeweglichkeit kann ich offen gesagt nicht mehr hören. Gerade Sie als weitgereiste Frau sollten doch wissen, dass letztendlich in jeder Stadt gejammert wird — immer über andrere Sachen. Aus so ein Stammtischniveau sollten Sie sich nicht herablassen.

    Zwar stimmt ich Ihren drei Punkten im Großen und Ganzen nicht zu, Ihrem ersten Satz allerdings schon. Vielleicht sollte man mal über ungewöhnliche Aktivitätetn nachdenken. Kommen Sie als Wirtschaftswissenschaftlerin doch mal nach Würzburg und zeigen Sie mal Alternativen auf — die Stadt wird es Ihnen danken. Aber bitte bessere als die oben Beschriebenen! 🙂

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  5. Ich rate dringend dazu, auch einmal ungewöhnliche Alternativen in Betracht zu ziehen und die Diskussion um folgende Punkte zu erweitern:

    – hatte Würzburg überhaupt jemals eine florierende Innenstadt (was ginge also im Fall der Fälle verloren? – sind wir doch mal ehrlich: Wer kauft all seine Weihnachtsgeschenke, Möbel und Klamotten in der immerhin 128.000 Einwohner zählenden Sch..önen Stadt WÜ? Warum? Weils hier nüscht gibt.)

    – wäre es nicht sinnvoller, sämtliche zentrale Ladenflächen in einigermaßen stilvolle Kneipen, Bars und Cafes umzufunktionieren und den Einkauf geballt am Bahnhof zu bestreiten? ( Ich persönlich wünsche mir hier noch nen Starbucks, ne Tabak-Lounge sowie fernöstliche Tee-Tempel.) und näher wärs auch noch, hihi!

    – vielleicht sollte man die Wurzeln allen Übels auch nicht immer nur bei den wirtschaftlichen Aspekten suchen, sondern vielmehr auch Komponenten wie „erzkatholisches und konservatives Nest“, „studentische Alternativenhochburg“ und „alkoholgetränkter Mainkrater“ in den Fukus der Debatte stellen.

    AMEN

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