Kurz bei der langen Nacht

Lang war sie für mich nicht, die Kulturspeichernacht. Aber dunkel war’s, das ist ja schon mal was.

Der Speicher war schick angeleuchtet, die Besucher schick gekleidet (eine der wenigen Ausnahmen tippt gerade diesen Text) und der Eintrittspreis schick bei 9 €. Nach dem Kartenkauf habe ich mich als braver Blogger auch noch als braver Fotograf registrieren lassen. Warum man sich da in eine Liste eintragen soll, wenn man ein bisschen knipsen will (ohne Blitz und Stativ laut Vorschrift), ist mir nicht ganz klar. Mit meiner Sauklaue kann man den Eintrag eh nicht lesen und selbst wenn — was hat der Kulturspeicher davon? Komisches System.

Ich bekam zu der Karte auch noch ein grünes Bändchen um den Arm geklebt, damit ich alle Räume des Kulturspeichergeländes besuchen darf — und um mein Handgelenk schmerzhaft von vielen Haaren zu befreien. Für den im Eintrittspreis inbegriffenen Federweißen zur Begrüßung wurde gleich mal ein Edding-Strich auf das Bändchen geschmiert, das hatte schon ein bisschen Bierdeckel-Feeling. Sehr seltsam war, dass der Federweiße in Weingläsern ausgeschenkt wurde, der Wein hingegen in diesen unzerstörbaren Weindorfhumpen mit Henkel. Provokante Kunst aus dem Hause Lumen?

Ach ja, Kunst gab es auch. Reichlich. So erzählte Hermann de Vries ein wenig über manche Exponate seines „Taschengewitters“. Ein sehr zurückhaltender Mann mit weißen Nikolausbart, aber doch kraftvoll und sehr sympathisch, was noch durch seinen Rudi Carell-Dialekt verstärkt wurde.
Auf dem Vorplatz führten Magnus Kuhn und Helmut Nennmann eine Performance zum Thema „Freie Sicht“ auf. Doch der Humor, der nicht mal bei der Jahreversammlung der Grauen Panther für Lacher sorgen würde, war nicht so meiner – wie man vermutlich merkt. Aber wie so oft dürfen die unverstandenen Künstler mir Ignoranz, Oberflächlichkeit und Unwissen vorwerfen.

Getanzt wurde recht fleißig. Der Tanzspeicher zeigte Ausschnitte aus seinen aktuellen Programmen und die „Jugendgruppe des Tanzspeichers“ schienen im Dauereinsatz zu sein. Auf dem Vorplatz und auf der schummrig-schönen probenBühne zeigten sie einfach nur nette Tänze aber auch recht anspruchsvolle Choreographien. Nett!

Sehr beeindruckend war die Tanzskulptur von Susanne Kirchner. Vor Skulpturen von Emy Roeder nahm sie deren Wirkung auf und tanzte sie — völlig ohne Musik. Durchaus erotisch schuf sie mit ihrem Körper und ihren Bewegung eine Projektion der Dynamik und Tiefe der sie umgebenden Kunst im Raum — und wurde dadurch eine ganz eigene Kunst im Raum.
Es ist schwer zu erklären, was da wirlich passierte, ohne in Kunstphrasen abzudriften. Man musste es erleben.

Die Nacht endete für mich dann schon, auch wenn der Kulturspeicher noch bis 1 Uhr geöffnet hat. Aber das Wochenende wird hart genug — und ich nicht jünger! 😉

3 Gedanken zu „Kurz bei der langen Nacht“

  1. Ich muß Ihnen größtenteils zustimmen. Die BBK-Performance war wirklich banal und altbacken. Und ergänzend muß ich sagen, daß das Kabarett im Bockshorn ähnlich humorlos war. Trotzdem bin ich froh, daß es diese Nacht gibt und würde mich freuen, wenn noch mehr, gerade Jüngere, im nächsten Jahr diese Veranstaltung besuchen würden.

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