Hallo!
Als einer, der in Würzburg aufgewachsen ist, seit 17 Jahren aber in Deutschlands Hauptstadt lebt und demnächst wohl wieder nach Würzburg zurückkehrt, mache ich mir natürlich auch meine Gedanken über die Arcaden.
Zunächst bin ich sehr froh über das Ergebnis des Bürgerentscheids. Er ist Ausdruck echter Demokratie und des gesunden Menschenverstandes, der in Würzburg doch noch vorhanden ist. Den zu hektischen, von reinen Wirtschaftsinteressen gespeisten Planungen, einer weiteren Zentralisierung von Märkten und der Vernichtung von Einzelhandel und gewachsener Stadtkultur wird so sinnvollerweise Einhalt geboten.
Daran ändert auch die an amerikanische Marketing-Mechanismen erinnernde mfi-Werbung nichts, die von nicht mehr zurück-klickbaren Websiten über vollmundige Sprüche bis hin zu Suggestiv-Taktiken reicht. Würzburgs Bürger beweisen durch das „Nein“ kritischen Verstand – es bleibt zu hoffen, dass er auch weiterhin Gehör findet.
Die Arcadenbefürworter, allen voran die CSU unter Pia Beckmann, widersprechen sich im Grunde selbst: Gerade sie, die in klassischer Weise immer mehr ´Wettbewerb` und ´Vielfalt` fordern, blockieren genau diese Prozesse, indem sie völlig kritiklos und ohne Überlegung einer weiteren Vereinheitlichung und Angleichung des Würzburger Stadtbildes – sowohl innerhalb Würzburgs als auch im Vergleich mit anderen Städten betrachtet – zustimmen.
Würzburgs Charme liegt ja gerade darin, sich NICHT auf derselben Ebene zu bewegen wie andere Städte. Dort hat „Arcaden-Shopping“ zu einer Uniformität des Stadtbildes bzw. von Stadtteilen geführt: ein drastischer Schwund des Einzelhandels in den Straßenzügen, die die dortigen Arcaden umgeben und ein massiver Rückgang von Vielfalt und Stadtkultur sind die Folge.
Als Beispiel möchte ich Berlin nennen. Hier existieren drei Arcaden, in Spandau, in Neukölln-Gropiusstadt, im Weddinger Gesundbrunnen-Center (hier jedoch nicht unter dem Namen „Arcaden“) und im Prenzlauer Berg am S-HBF „Schönhauser Allee“.
Nun kann man die Berliner Situation nicht gänzlich mit der in Würzburg vergleichen. Und genau dies tun die Arcaden-Befürworter, denn sie stellen Würzburg hinsichtlich der Voraussetzungen für die Errichtung der Arcaden mit anderen Städten gleich. Das mag für geplante Gebäudestrukturen gelten, ist aber städteplanerisch unsinnig. Würzburg ist nicht Berlin und auch nicht Regensburg. Es hat andere, teils schon genannte, teils bekannte, teils noch zu nennende Qualitäten (s. o. bzw. s. u.). Diese machen Würzburg zu dem, was es ist und was es nicht zu zerstören, sondern behutsam zu entwickeln gilt.
Fakt ist, dass in Berlin (und vielleicht auch anderswo) besonders die oben genannten letzten beiden Einkaufszentren den Einzelhandel in der Umgebung in den vergangenen Jahren massiv beeinträchtigten. Als jemand, der genau zwischen zwei solchen Centern wohnt, kann ich das hautnah erleben. Zudem – und dieses Argument ließe sich ohne weiteres auf Würzburg übertragen – müssen sich solche Mammut-Investitionen rentieren, d. h. die Mieten sind teuer. Diese können sich somit nur finanzkräftige Ketten leisten, wie Liedl, Aldi, H&M, Media-Markt, Saturn, um nur einige zu nennen. Der kleine Einzelhändler kann das nicht und verliert dazu noch mehr Kundschaft!
Der genannte Effekt bewirkt nur eines: Überall bekommt man als Kunde das Gleiche (oder auch nicht). Von einer Vielfalt und echten Chancen für Gewerbetreibende kann keine Rede sein! In Würzburg sind finanzkräftige Ketten wie die oben genannten nicht zu knapp vertreten. Das Argument, durch die Arcaden alles gleich an einem Standort zu haben, scheint zwar oberflächlich betrachtet richtig und ist bequem. Vergleicht man jedoch die Bauzeit, die Baukosten, die durch das Projekt mehrere Jahre dauernden Verkehrsbeeinträchtigungen, die der Stadt und ihren Bürgern viel Geld und Nerven abverlangen, und nicht zuletzt das kaum kalkulierbare Risiko („bringt es wirklich etwas?“) mit diesem Bequemlichkeitsargument, muss man – gesunden Menschenverstand vorausgesetzt – sich klar gegen die Arcaden aussprechen.
Was ist, wenn mfi sich übernimmt? Das finanzielle Risiko ist bei solchen Großprojekten vielleicht zwar momentan, aber nicht genau für die nächsten Jahre abschätzbar. Ein unfertiger Arcadenbau könnte die ohnehin schon vorhandenen Negativ-Aspekte zu einem Chaos werden lassen („Hotelturm“-Phänomen“).
Ganz zu schweigen von den ökologischen Problemen. Allein die Abgasbelastung würde durch die baubedingten Staus auf ein unerträgliches Maß steigen. Weiterhin soll der Ringpark zugunsten der grünen Umgestaltung des Busbahnhofes verkleinert werden. Mag sein, aber die Bahnhofsfläche ist so klein, dass der ursprüngliche Parkcharakter verloren geht und es zudem Jahre dauert, bis die Bäume so hoch gewachsen sind, dass man – wenn überhaupt – von einem spärlichen Ersatz sprechen kann.
Eine weitere Spur auf dem Röntgenring würde jene hässliche Optik fortsetzen, die schon in der Juliuspromenade ihren Anfang nahm: Diese stellt – bei allem Respekt vor deren Umgestaltung zur Fußgängerzone – eine graue Steinwüste dar, insbesondere zwischen Barbarossa- und Dominikanerplatz. Einer weiteren, asphalt- oder betonbasierten ´Vergrauung` Würzburgs muss man entschieden entgegentreten! Dann werden sich auch kleinere, neue Händler bewähren können, wenn man den Bürgern das Gefühl gibt: Würzburg ist schön, macht Spaß, bietet Vielfalt, IN diese Stadt kommt man gerne!
Durch ein (der Vergleich liegt bei Betrachtung des Werbefotos der mfi in der Mainpost nahe) angesichts der auf dem Bild sichtbaren riesigen Bahnhofsvorfläche schon als `Weltraumbahnhof` zu bezeichnendes Großprojekt wird das mit Sicherheit nicht gelingen!
Der Reiz eines neuen Einkaufszentrums mag zu Anfang Neugierige anlocken. Sind die Arcaden aber erst einmal ´Routine`, erlahmt der Besucherstrom. Nicht so bei einer lebendigen Innenstadt!
Eine sinnvolle Stadtgestaltung, mehr Grün, mehr Individualität, mehr Chancen, Würzburgs Charme zu erhalten und noch zu fördern: DAS muss die Devise sein! Die historische Altstadt – gekoppelt mit modernen Elementen und Einkaufsmöglichkeiten in der Stadt – ist dann Würzburgs großes Plus, das Schweinfurt trotz Stadtgalerie NICHT haben wird.
Motto also: Individualität statt Uniformität!
Die Bahn übrigens, die bekanntlich nicht gerade sparsam und kalkuliert mit dem durch die Kunden erwirtschafteten Geld umgeht, sich andererseits aber erpresserischer Methoden bedient, um ihr Image aufzubessern („keine Sanierung ohne Arcaden/Einkaufszentrum“), muss eine Reparatur desselben aus EIGENEN Mitteln bewerkstelligen. Wenn der Würzburger Bahnhof tatsächlich der hässlichste sein soll (meiner Meinung nach gibt es noch hässlichere), dann ist das nicht die Schuld der Stadt, sondern der Bahn. Behindertengerechte Bahnsteige, ein neuer Anstrich etc. sind garantiert auch ohne Arcaden machbar, zumal es Zuschüsse gibt. Das Argument, ICE-Züge hielten in Würzburg und daher sei ein Großprojekt nötig, steht auf stark schwankendem Boden: Würzburg ist keine Großstadt, sondern hat rund 130.000 Einwohner, besitzt statt einer dominant-industriellen eine eher universitäre und Dienstleister-Struktur. Daher müssen Untersuchungen durchgeführt werden, inwieweit Leute nach Würzburg um seiner selbst willen (zum Bahnhof) kommen und diesen nicht nur als Umsteige-Aufenthaltsort nutzen. Die Bahn kalkuliert hier nun kühl, indem sie jeden potentiellen Umsteiger zwecks Zwischen-Shopping in die nahen Arcaden lockt, aber eben NICHT in die Innenstadt! Somit würde die Bahn profitieren – Würzburg aber durch die Koppelung der Bahnhofs-Sanierung an die Arcaden nichts gewinnen!
Wie könnte nun eine Lösung aussehen?
Das Mozart-Areal wäre eine Alternative, muss jedoch hinsichtlich der zu erwartenden Effekte natürlich genauso kritisch geprüft werden. Es ist aber insgesamt realistischer, da die Verkaufsfläche kleiner ist, die ökologische Problematik vergleichsweise gering und das Projekt in die Stadt selbst eingebunden ist.
Dennoch müssen Stadt und Bürger nach weiteren Lösungen suchen, die sich in jedem Fall aber nicht primär an den Interessen der Investoren, sondern denen der Bürger Würzburgs und einer ECHTEN INNENSTADT-ENTWICKLUNG orientieren.