Rennen in der Semmelstraße

Der Morgen in Würzburg war zwar grau und trüb, aber eine angenehm kalte Luft hat mir den noch halb schlafenden Kopf durchgeblasen. Bevor ich ins Büro ging, wollte ich noch einen leckeren Kaffee trinken und gemütlich eine Zigarette rauchen. Nach den Weihnachtsfeiertagen befanden sich in meinem Geldbeutel nur noch große Scheine, also machte ich den kleinen Umweg über die Semmelstraße, um in dem Zeitschriftenladen frisches Rauchwerk zu kaufen.

Ein dicklicher Junge, etwas 10 Jahre alt, lief vor mir auf dem Gehweg. Gemütlich schlendernd überholte ich ihn. Ungefähr fünf Meter weiter merkte ich, wie er wiederum zu einem Überholmanöver ansetzte und sich wieder vor mich schon. Ich beschleunigte meinen Schritt etwas, schob mich keck links an ihm vorbei und übernahm wieder die Führung. Der Junge trieb seine kurzen Füßchen an und wollte an mir vorbeiziehen. Doch ich war darauf gefasst und fiel in einen leichten Trab. Doch der Junge gab nicht auf. Sein durch viele Weihnachtsplätzchen gestärkter Körper schaltete auf Vollschub und er begann zu rennen. Das konnte und wollte ich mir nicht bieten lassen und sprintete ebenfalls los.
Wir veranstalteten durch die Semmelstraße ein unbeobachtetes, aber verbissenes Rennen. Die kurzen Dackelbeine des Jungen trommelten über den Asphalt, rhythmisch unterstützt von dem Pfeifen meiner Raucherlunge und dem Klatschen meiner schweren Tasche auf der Hüfte. Kein Preisgeld winkte, kein Schampus, den wir in die Menge spritzen dürften. Es ging einzig und allein um die Ehre.

Etwa zehn Meter vor dem Tabakladen entschied sich das Rennen. Mein unter Kalorien- und Nikotinentzug stehender Körper war dem kindlichen Elan nicht länger gewachsen und der Junge hatte etwa eine Körperlänge (seine, nicht meine) Vorsprung. Er lief immer noch weiter als ich am Laden abbremste und ihm nach rief „Ich fordere Revanche! Und nicht erst wenn du erwachsen bist!“

Und da soll einer sagen, die heutigen Kinder sind nicht mehr wettbewerbsfähig … 😉

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