Kurz und kratzig

Gestern Abend war es im Vergleich zu den vorherigen Tagen fast angenehm mild draußen. Da war ich dann doch ein bisschen enttäuscht, als ich kurz vor acht auf dem Oberen Markt eintraf — keine Spur von der Bavarian Open Word. Der Zündfunk wollte wohl auf Nummer sicher gehen und hat die Lesung in den Max Dauthendey-Saal im Falkenhaus verlegt.

Durch gewisse Ich-warte-auf-meine-Frau- und Rauchaktionen kam ich just zu Beginn der Lesung oben im Saal an. Was heißt im Saal? Vor dem Saal. Denn im Saal war es absolut voll. So konnte ich der ersten drei Lesungen nur durch den Türstock verfolgen.

Die Lesungen. Besser: die Lesungchen. Denn die Beträge der drei Würzburger Autoren waren doch recht kurz. Sonja Weichands Kurzgedichte waren wirklich schön und sprachen mich an. Aber sie waren zu schnell vorbei. Dann las Jan-Phillip Dietl sein sehr witzige Kurzgeschichte über seinen verhassten(?) WG-Genossen Bernie. Soweit verlief der Abend zwar etwas schnell, aber doch sehr schön, nachdenklich und unterhaltsam.
Dann kam Hannah Gottschalk zum Lesen. Vielleicht liegt es am Altersunterschied von 15 Jahren. Vielleicht an einer Drüsenunterfunktion in meinem lyrischen Zentrum. Aber für mich klangen ihre Texte wie Einträge aus Poesiealben, die sich 13-jährige Mädchen kichernd unter der Bettdecke vorlesen. Gut, laut den Zündfunk-Seiten produziert Frau Gottschalk auch Kindergeschichten. Aber das Publikum der Bavarian Open Word hat im Durchschnitt die Pubertät schon lange hinter sich gelassen. Naja, nach gut 2 Minuten war der Spuk eh vorbei.

Darauf kam der Auftritt von Knarf Rellöm X, der netterweise erst mal dafür sorgte, dass die vor dem Saal stehenden Leute sich doch noch reinquetschen konnten. Etwas erleichtert wurde die Aktion dadurch, dass schon einige die Veranstaltung verlassen wollten. Ich vermute gar nicht wegen Missfallens, ich tippe da eher auf die trotz gekippter Fenster schlechte Luft im Raum.
Knarf ist schon ein skurriler Zeitgenosse. Da saß er mit seiner Sternensonnenbrille am Schlagzeug und unterhielt sich über ein schräg verzerrtes und verfremdetes Mikrofon mit der Moderatorin. Diese Verfremdungseffekt setzte er den Abend über gern ein — uns die kratzten über meine Nerven wie Fingernägel über eine Schiefertafel. Eigentlich fand ich Knarf Rellöm X gar nicht mal schlecht, auch seine Texte nicht, die er zwischen und mit kleinen Schlagzeugeinlagen spielte. Aber akustisch hielt ich es nach einer halben Stunde nicht mehr aus — mein Problem! 😉

Draußen auf der Straße trafen wir noch zwei liebe Freunde und mit diesen dann weitere Open Word-Flüchtlinge in der Weinstube Popp. Der Kreis schloss sich wieder! 😀

Es war keine schlechter Abend, aber in letztem Jahr fand ich die Bavarian Open Word besser. Sicher wäre gestern eine Open-Air-Lesung — wie eigentlich geplant — eine gute Idee gewesen. Und auch kam mir die Lesungen zu kurz, was aber wohl vor allem an den Autoren liegt. Wenn der Trend zu kurzen Texten geht, vielleicht sollte man im nächsten Jahr einfach zwei oder drei Autoren mehr lesen lassen, da gibt es in Würzburg doch bestimmt noch ein paar.

Egal! Ich hoffe auf jeden Fall auf eine Wiederkehr der Bavarian Open Word im nächsten Jahr

Alle Lesungen gibt es auf der Bavarian Open Word-Seite als mp3 zum herunterladen. Weitere Berichte bei Anhaa und MatzeLoCal.

1 Gedanke zu „Kurz und kratzig“

Schreibe einen Kommentar