Alt gleich gut, neu gleich schlecht und aus neu wird alt.

Bald ist wieder Fußball-Europameisterschaft und in Deutschland werden wieder 80 Millionen Menschen zu Bundestrainer mutieren. In Würzburg wurde und wird gebaut, und 130.000 Menschen mutieren bei solchen Gelegenheiten zu Diplom-Architekten und Kunsthistorikern. Na, da mach ich doch mal mit! 🙂

In Würzburg etwas zu bauen oder umzubauen ist kein Zuckerschlecken. Denn als Bauherr und Architekt kann man es für mindestens die Hälfte der Bevölkerung nur falsch machen. Baut man historisierend, dann ist es den einen zu altbacken. Baut man modern, dann regen sich die Historisierer auf.

Vor ein paar Wochen war ich bei einem Werkbericht des Diözesanbaumeisters von Eichstätt, Karl Frey, der dort sinngemäß sagte, die Leute (hier und auch in Eichstätt) schauen viel zu sehr mit der Gewohnheit und viel zu wenig auf Qualität. In Würzburg hat man schon manchmal den Eindruck, dass ein Gebäude automatisch gut wird, wenn es alt wird. Aber neu ist immer schlecht. Dabei sollte eine Weinstadt doch wissen, dass auch junge Weine sehr gut schmecken können und eine Flasche von 1957 nicht automatisch lecker ist.

Denkt man noch an den Aufstand, den es bei der neuen Wöhrl-Fassade am Vierröhrenbrunnen gegeben hat, dann klang es so, als würde dieser Umbau auf ewig das Auge des Würzburgers beleidigen. Und wer stört sich heute noch daran, außer dem Verschönerungsverein (und selbst der nicht mehr komplett)? Ähnlich mit der Ostfassade des Kilianshauses. Und wie wird es mit dem Petrini-Haus am Markplatz?

Nein, das Petrini-Haus gefällt mir nicht. Aber gefiele es mir, wenn es historisierend gebaut worden wäre? Auch nicht unbedingt, das ursprüngliche Vorkriegsgebäude fand ich auch nicht sooo schön. Was sollen also die Kriterien für ein gelungenes Gebäude in der Stadt sein?

Oft wird gesagt, das neue Gebäude muss sich in die bestehenden Gebäude einreihen. Muss es das? Muss es das wirklich? Kein Mut zu Kontrasten? Ich bin kein Experte, aber ich bin nicht sicher, ob sich Balthasar Neumanns Barock- und Rokokogebäude so harmomisch in das damalige Stadtbild eingefügt haben. Denn das war damals modern! Und so scharf können die Würzburger in der Zeit nicht auf den neuen Baustil gewesen sein, sonst hätte die Stadt nicht den Modernisierungswilligen 10 Jahre die Steuern erlassen. Die wurden bestochen, da standen wirtschaftliche Interessen dahinter. Die Besitzer des Gasthauses im Falkenhaus werden sich damals gesagt haben: „Barock? Rokoko? Nie gehört. Ist uns auch Wurscht! Wir sparen 10 Jahre Steuern und bekommen noch ein auffällige Fassade, die Gäste anlockt — wir wären ja blöd, das nicht zu machen.“

Und nun soll die Stadt Würzburg in die wirtschaftlichen Interessen eines S. Oliver eingreifen, der einen modernen und auffälligen Bau am Marktplatz will? Weil irgendeinem Postbeamten die Größe der Fenster auf dem Plan nicht gefallen? Nicht aus baurechtlichen Gründen, sondern aus Gestaltungsgründen? Kann ja nicht sein! Aber auf der anderen Seite wünschte ich mir, beim Petrini-Haus hätte sie genau das getan. Man merkt — ein kompliziertes Thema, bei dem sich auf jeden Fall ein Laie wie ich sehr von seinem persönlichen Geschmack leiten lässt.

Komischerweise hört man kaum Würzburger Architekten sich zum Thema Städtebau öffentlich äußern (außer den jeweils beteiligten). Die Leserbriefspalte und ein guter Teil der Mainpost ist voll mit Meinungen von Kieferchirurgen, Postbeamten und Köchen, aber die Menschen, die sich eigentlich damit objektiv auskennen sollten, die sind deutlich in der Minderheit. Der Stadtrat, der sich ähnlich wenig damit auskennt, ist natürlich auch überfordert. Und da sind wir beim Thema Baukunstbeirat, den es seit einigen Jahren nicht mehr in Würzburg gibt, der aber hoffentlich bald wieder eingerichtet wird. Besetzt mit Architekten aus der Stadt, aber vor allem auch mit Externen, die unbefangener urteilen können.

Natürlich wäre eine Bürgerbeteiligung an Städtebau-Entscheidungen sehr schön. Statt das Genöle der Bürger hinterher zu ertragen, wäre es doch cleverer, sie im Vorfeld von entscheidenden Baumaßnahmen um konstruktive Vorschläge und Ideen zu bitten und — aufgemerkt, liebe Stadt Würzburg, eine ganz neue Idee! — diese auch ernst zu nehmen, zu prüfen und in die Entscheidung einfließen lassen. Foren im Internet wären denkbar, Ideenworkshops, einen simplen Briefkasten im Rathaus für Vorschläge und Anregungen. Das alles auszuwerten und zu koordinieren ist natürlich einen große Arbeit für die Stadt, aber — Hey! — die Stadt ist für die Bürger da. Und wenn die mitmachen wollen, dann sollen sie das auch dürfen tun. Was dann rauskommt wird ganz sicher auch wieder nicht allen gefallen, aber der Entstehungs- und Entwicklungsprozess ist ein anderer, und vielleicht kann dann der neuheitsträge Würzburger damit besser leben — und die Stadt an sich auch.

Übermorgen haben wir einen teils neuen Stadtrat und einen ganz neuen Oberbürgermeister und ich bin sehr gespannt, ob und wie sie das Problemthema Städtebau und Architektur in Würzburg endlich in den griff bekommen. Toi, toi, toi!

6 Gedanken zu „Alt gleich gut, neu gleich schlecht und aus neu wird alt.“

  1. Darf man den Beitrag ausdrucken und dem Stadtrat für den ersten
    Sitzungstag am 1. Mai an die Tür des Sitzungssaals nageln? Nur so, zur
    Sicherheit.

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  2. Im ARCHITECTURA PRO HOMINE : Architektur für den Menschen – Forum ( http://www.aphforum.de/ ) gibt es eine Menge dieser „Architektur-Bundestrainer“. Geben Ihren Senf zum Thema Baukultur ab (hier Petrini-Haus), benutzen aber eine MODERN und dennoch FALSCHE Rechtschreibung.
    Zitat: „… Dennoch würde ich nicht von einer Katastrofe reden. ..“
    ALLES KLAR?!
    Naja, ab Saison 08/09 wird im Fussball eine 3.Liga eingeführt. Deshalb können neben Architekten und Stadträten jetzt auch noch andere in der Bau-Liga mitreden.

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