Graf Zahl und Herzog de Optique

Lieber Verschönerungsverein! Wir müssen reden! Nein, nicht über gute oder schlechte Architektur, auch nicht über guten oder schlechten Städtebau. Nein, diesmal über Zahlen.

In eurer „Stellungnahme zum geplanten Hochhaus in der Augustinerstrasse 9, Februar 2009“ (Straße übrigens mit scharfem S, das nur nebenbei) beklagt ihr euch, dass der geplante Neubau des Hochhauses in der Augustinerstraße mit seiner Trauflinie die Trauflinie des Altbaus um 5,50 Meter überragt.

Traufhoehen

Die Trauflinie bzw. Traufhöhe ist — grob gesprochen (genauer hier) — die Höhe der Außenmauern bis zum Beginn des Dachs, oft ungefähr da, wo die Dachrinne sitzt. Bei einem Flachdachbau wie der geplante Neubau ist die Traufhöhe also ungefähr die Höhe des Gebäudes.

So weit, so gut.

Nun werft ihr in der Pressemitteilung der Stadtverwaltung folgendes vor:

Die Zahlenakrobatik der Stadtverwaltung verschleierte, ob die von ihr gemachten Höhenangaben sich auf die Traufe oder den First des Altbaus bezogen, so dass die wahre Höhe des Neubaus nicht leicht zu erkennen war.

Und da habe ich nun ein paar Fragen an euch. Die wahre Höhe des Neubaus wurde meines Wissens in Metern angegeben, ausgehend von der Straße nach oben, laut Stadtratsbeschluss im Moment also 33,90 Meter. Was ist da nicht zu erkennen?

Wenn mich jemand fragt, wie hoch der Turm der Josefs-Kirche in Grombühl ist, dann sage ich wie aus der Pistole geschossen: 52 Meter! Ich rechne im Allgemeinen nicht mit der Gegenfrage „Von der Traufe oder vom First aus gemessen?“, denn ein Gebäude ist so hoch wie es hoch ist. Mit Dach. Warum sollte man das Dach nicht mitrechnen? Das regnet sonst nur rein! Und wenn jemand sagt „Der höchste Turm beim Kölner Dom ist aber 102 Meter höher“, dann werden hier keine Traufhöhen verglichen, sondern einfach die Höhe der Türme. Wo ist das Problem? Und wo ist das Zahlenakrobatik?

Was meint ihr außerdem damit, dass der Neubau „optisch um etwa 5,50 m höher als der Altbau“ erscheint? Die Traufhöhen unterscheiden sich um 5,50 Meter, gut. Ihr meint, das Dach des Neubaus liegt zwar gut einen Meter über dem Dach des Altbaus, der Neubau wirkt aber 5,50 Meter höher? Optisch? So die gefühlte Höhe, oder was? Jetzt wird es aber esoterisch.
Wenn ich beim vor dem jetzigen Haus stehe, dann sehe ich, wenn ich hochschaue das Dach nicht. Ich kann nur bis zur Traufhöhe blicken, das stimmt. Wenn ich vor dem Neubau stünde, dann kann ich natürlich bis zum Flachdach schauen, aber rein geometrisch wirken die letzten Meter nicht wie 5,50, denn ich sehe sie ja mit einem Abstand von gut 25 Metern. Alles wird mit der Entfernung kleiner, außer Herr Tur Tur. Die 5,50 Meter würde ich wahrnehmen, wenn ich von Weitem auf die Gebäude schaue — allerdings sehe ich dann auch das Dach des Altbaus und der Neubau würde dann wieder nur 1,20 Meter höher wirken.

Ihr fordert also:

– entweder Erhaltung des denkmalgeschützten Altbaus und dessen Sanierung; hierfür hat  der VVW bereits seine Unterstützung in Form eines von ihm zu finanzierenden Gutachtens zur erhaltungsorientierten Prüfung der Statik signalisiert;
– oder – wenn ein Abbruch wirklich unumgänglich ist – Anpassung eines Neubaus an die Gebäudehöhen in der Nachbarschaft, um das Gesamtbild der Altstadt nicht zu verunstalten.

Zum ersten Punkt: Von mir aus. Aber wer zahlt das? Die Stadt? Der Staat? Ein Investor?  Freiwillige vor!
Zum zweiten Punkt verweise ich auf das lp10-Blog.

Ihr seht also, ich verstehe eure Probleme mit den Zahlen und der Optik nicht ganz. Ich hoffe ihr versteht es wenigstens — und erklärt es mir.

Es grüßt euch der ratlose Ralf ….

9 Gedanken zu „Graf Zahl und Herzog de Optique“

  1. @ ronny: genau!! die wirklich wichtigen Fragen Würzburg betreffend werden IMMER hier gestellt, aber NIEMALS in  der MainPest.  good work würzblog!!!

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  2. Hier hat der Würzblog der Mainpost wiedermal gezeigt, wo der Bartel den Most holt. Solche Fragen hätte ich von einer Lokalzeitung erwartet statt sich als Sprachrohr des Verschönerungsvereins benutzen zu lassen.

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  3. Sehr schön fand ich auch das Bild in der MainPost, da schien der Neubau fast so hoch wie der Dom (etwas überspitzt). Und das Bild soll absolut maßstabsgetreu sein, dass ich nicht lache. Das mit den 5,5 Metern kann ich auch nicht nachvollziehen.

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  4. DANKE  Ralf !!! …du sprichst einem aus der Seele
    … in der sich inzwischen schon beim Wort Verschönerungsverein  so eine kleiner  ununterdrückbarer Hauch Aggresivität ausbreitet….

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  5. Jetzt versteh ich endlich was der VVW eigentlich meint. Aber eine Antwort auf Ihre Fragen hab ich auch nicht, wäre aber ebenfalls sehr an einer solchen interessiert.
    Mir gefällt der Neuentwurf nicht sehr, finde die Argumente des Vereins hahnebüchend, ebenso wie die Lachnummer des Stadtrats, wegen ein paar Metern, welche bei einem Hochhaus wirklich nicht auffallen werden, den Bau nicht zu genehmigen. Ich plädiere, obwohl der Entwurf nicht meinem persönlichen Geschmack entspricht, FÜR den Neubau!

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