Die Geister, die ich rief

Ich muss mal was zum Verhältnis Stadtslogan, Würzburg AG und Blogs etwas aus meiner ganz persönlichen und etwas verwirrten Sicht schreiben.

Von Anfang an: Der erste Artikel im Würzblog zu „Provinz auf Weltniveau“ kam nicht aus dem luftleeren Raum. Auf den damaligen Beitrag im Buenalog wurde ich Ende Oktober 2008 von Dieter Schneider persönlich per E-Mail hingewiesen.

Nun halte ich Herrn Schneider nicht für dumm. Er konnte damals zwar nicht wissen, ob ich wohlwollend oder ablehnend darüber schreiben werden, aber im dürfte klar gewesen sein, dass wenn ich darüber schreibe, eine mehr oder weniger große Diskussion entstehen wird  und dass andere Blogs das Thema vermutlich aufgreifen werden. Und Blogs sind keine Zeitungen, da geht es weniger um Information als um Meinung, manchmal auch eine Kombination aus beidem. Dass es also nicht sehr sachlich zugehen wird, dürfte auch klar gewesen sein, man wird wohl keine wissenschaftliche Marketinganalyse erwartet haben. Das alles hat er ja schon selbst erleben dürfen.

Sooo schlimm kann es offensichtlich auch nicht gewesen sein, denn ich wurde (nachträglich) zum Buisiness Lunch und zur Pressekonferenz eingeladen. Die Artikel und Kommentare im Würzblog und den anderen Blogs waren — wenn auch meist kritisch — scheinbar nicht unerwünscht. Aufmerksamkeit generieren schien das Motto. Und das wurde geschafft. Virales Marketing in Minimalform.
Vielleicht war auch die Elefant-im-Porzellanladen-Aktion bei lifeh8 bewusst durchgeführt, um Emotionen zu schüren und die Sponsoren ebenso emotional zu binden. Denn man hätte diesen Artikel und alle, die jemals über die Provinz auf Weltniveau geschrieben wurden, komplett ignorieren könne — und nicht fünf Tweets in die Welt blasen müssen. Hat man aber nicht. Vielleicht ganz bewusst nicht.

Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Ich weiß das alles ehrlicherweise auch nicht.

Eine alternative Theorie zu dem Ganzen wäre allerdings, dass die Würzburg AG mit Buena la Vista als Werbeagentur an Bord sich tapsig, unbeholfen und zickig im Web 2.0 bewegt, ihr jedes Reflexions- und Einfühlungsvermögen abgeht und flucht, dass die neumodische Drecksblogs überhaupt erfunden wurden — und das Recht auf frei Meinungsäußerung dazu. Und das glaube ich irgendwie nicht so recht.

Die Wahrheit wird wohl in der Mitte liegen — oder ganz woanders.

Und in dem Zusammenhang wundere ich mich über den Tweet von Dieter Schneider:

Das WüWideWeb 2.0 ist schon was besonderes.

Wie, Besonderes? Besonders leicht zu manipulieren? Besonders kritisch? Besonders trotzig? Besonders träge? Besonders langweilig? Besonders toll? Besonders scheiße?
Nö, ist es nicht. Alles nicht. Auch hier herrscht die Normalverteilung wie im Rest des WorldWideWeb. Aber dass die Diskussionen so gelaufen sind wie sie gelaufen sind und dass überhaupt — daran ist die Würzburg AG/Buena la Vista/Dieter Schneider nicht ganz unschuldig.

Dieter! Lassen wir den Slogan mal außen vor! Zeit für Kommunikationsanalysen! Plauder doch mal aus dem Nähkästchen! Sind „die Blogger“ für dich wirklich die Bad Guys mit dem schwarzen Hut? Oder fällt dir/euch der Umgang mit diesen „wilden Medien“ schwer? Was hast du erwartet, wie die Diskussion ablaufen wird? Oder läuft alles so ab, wie du es erwartet und von langer Hand geplant hast? 😉

24 Gedanken zu „Die Geister, die ich rief“

  1. Warum regen sich eigentlich alle so über den Spruch auf? Weil er passt oder weil er nicht passt? Hat eine Stadt, in der ein Ladengeschäft, das Freudenhaus heißt, das „n“ wegmachen muss, denn einen anderen Slogan verdient?

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  2. … und hier gleich mein Kommentar. Weil man auf SZ.de leider nicht kommentieren kann:
    Aufgemerkt, ich bin ein großer Fan von Erwin Pelzig, dem „sympathischen Störenfried (…), der den Cordhut als raffinierte Tarnkappe trägt, … und bei dem … die Herrengelenktasche zu den letzten großen Geheimnissen des Daseins gehört.“ Genial, verkörpert er die fränkische Provinzialität. Warum ausgerechnet er eine gehäkelte Laptoptasche nur peinlich findet erschließt sich mir jedoch nicht. Auch seiner Kritik an „Provinz auf Weltniveau“ fehlt es mir an seinem eigenen Humor. Das ist so überhaupt nicht Erwin Pelzig. Sein Verbesserungsvorschlag „Provinz mit Autobahn“ hat dagegen wieder was;-)

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  3. Pingback: Isnochys
  4. Lieber Ralf, ich will das Unmögliche versuchen und das Nähkästchen in ein Kommentarfeld zu zwängen: Schwarz behütete Bad Guys gibt es überall. Das ist kein Bloggerspezifikum. Blogger sind im Grunde Individualisten; wie gesagt ich bin auch einer (Blogger und Individualist). Probleme mit dem Umgang der neuen (nicht wilden) Medien haben meist die anderen, nicht ich;-) Dass die Diskussion so abläuft war mit bewusst. Seit der Web 2.0 Veranstaltung im VCC habe ich im WüWideWeb das Bad-Guy-Image. Nun zur Sache: Mein Job war und ist „Aufmerksamkeit und Agenda-Setting“ für das Thema: „Image und Profil von Würzburg“ – und das ohne Geld. Worstcase-Szenario: „langweilige Gefälligkeit“. Spannung durch Reibung! – ist das Motto. Das Web 2.0 ist das Reibeisen. Wo sonst wird so gestritten und gezankt, oder nennen wir es polarisiert. Kritik und Ablehnung führen zur Penetration der abgelehnten Botschaft! Diese Erkenntnis hat sich mal wieder bestätigt. Und darum ist das WüWideWeb 2.0 besonders, weil es das noch nicht erkannt hat. Das war und ist Konzept. Zu jeder Zeit und bei allen Gelegenheiten haben wir das auch offen kommuniziert. Der Job Aufmerksamkeit (Awareness) ist erledigt. Diese Diskussion war längst notwendig im beschaulichen Wü.. Wenn es gelingt die TOPs „Marketing und Werbung für unsere Stadt“ auf die Agenda der Stadtratssitzungen zu bringen habe ich auch meinen zweiten Job erledigt. Man kann solche Prozesse von langer Hand planen ja, aber wer meint sie bis zum letzen Kommentar steuern zu können ist weltfremd. So habe ich mit Kritik gerechnet, klar. Die Tiefschläge unter die Gürtellinie kenne ich aus meiner Zeit als Fechter. Da haben sie so richtig weh getan;-) Mich anzuschießen ist Energie-Verschwendung. Ich bleibe ein kritischer Mensch, der keinem Streit aus dem Weg geht, wenn’s m.E. der Sache dient. Oder wie es ein Kommentar auf MainPost.de bezeichnet: ein „kreativer Springteufel“. Wir sollten wir unsere Energie bündeln und dahin fokussieren wo sie hin gehört: Richtung Verantwortungsträger im Grafeneckart.

    Zum Schluß noch 7 Statements:
    – Die Diskussion um den Slogan dreht sich im Kreis. Es ist doch alles gesagt und nichts mehr Neues hinzuzufügen. Ich für meinen Teil ziehe mich aus dieser Diskussion zurück.
    – Mein Engagement ist ehrenamtlich. Es ist kein Geld geflossen. Ganz im Gegenteil, ich habe noch was draufgelegt. Bei dem Aufwand klingt das unglaubwürdig, ist aber so.
    – Ich bin leidenschaftlich Werber und Würzburger. Ich liebe meinen Beruf und meine Stadt.
    – Es geht nicht um einen „verdammten Werbespruch“, es geht um unsere Stadt.
    – Drohung: Wenn die Anti-Ablehn-Haltung gegen alles und mich weiter geht, bleibe ich hyper-aktiv im WüWideWeb;-)
    – Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich jemand verletzt oder gekränkt haben sollte.
    – Ralf, Vielen Dank für diese Gelegenheit.

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  5. Die Idee das Bad Guys mit dem schwarzen Hut gefällt mir.
    Ich kann das geschriebene von meinem Vorredner nur unterstreichen: Ein „lol“ war noch das harmlostest was ich zu hören bekommen habe. Und nein, das waren keine unbedarften sondern auch Leute aus der Werbebranche.
    Auch frischzugezogene fanden den Slogan mehr als dümmlich… „Provinz ja, aber wo zur Hölle ist das Weltniveau.“ 😉

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  6. @Stefan: Der Slogan hat durchaus die Stadtgrenzen verlassen und wurde recht weit verbreitet gelesen und diskutiert. Allerdings war die Resonanz, die ich mitbekommen habe, auch nicht wirklich positiv. Um genau zu sein, hat man mich ausgelacht, weil ich aus der Stadt mit diesem Slogan komme. Woraufhin ich meinte „Ach, und wenn der Slogan nicht wäre, würdet ihr mich wegen des hässlichen Bahnhofes oder sonstwas auslachen – ich bins gewohnt“ – dann war Schweigen 😉

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  7. Selbst wenn die Blogs bewusst in eine Art virale Kampagne involviert wurden, so nützt das doch nichts, solange der Slogan und die Diskussion darüber die Stadtgrenzen (ok, Region und Kitzingen) nicht verlässt. Denn wer ist die primäre Zielgruppe eines solchen Slogans? Sicher nicht Leute, die eh schon in Würzburg leben. Die müssen sich allerdings damit identifizieren, infizieren (um im Bild zu bleiben). Aber solange sie es nicht weitertragen, das Virus, kann man mit dieser Blogger-Kampagne (falls sie gewollt war) nichts bewirken.

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  8. Lieber Ralf, danke für Deinen Beitrag. Bevor ich das Nähkästchen aufmache und über die bisherige Kommunikation reflektiere möchte ich darauf hinweisen, dass ich auch „Blogger“ und ein aktiver Freund der neuen Medien bin. Leider komme ich aus Termingründen erst morgen Früh dazu ausfühlich zu schreiben. Wenn bis dahin, die Kollegen hier nicht schon alles unterstellt, vermutet, spekuliert und kommentiert haben, bleibt für meinen Kommentar vielleicht ja noch was übrig;-) Deine Initiative finde ich gut. Vielen Dank dafür.

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  9. @isnochys: Ich weiß nicht. Buenalavista ist eine etablierte Agentur, die, ob man sie nun mag oder nicht, gute Arbeit macht (ich denke nur an die Brose-Kampagne). Und eine Agentur in der Größe und mit so einem Ruf sollte auf dem Web 2.0 wie auf einem Klavier spielen können. Aber gerade darum wundert mich das alles so sehr.

    Genug Zeit verblödelt, zurück zu den wichtigen Dingen: Arbeit! 🙂

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  10. Naja, man hat vermutlich gemeint, dass es im Netz ein zwei kritische Stimmen gibt, der Rest aber überwältigt sein wird, weil man sich zu Web2.0 begibt.
    War aber nicht so, sondern es ging einfach gegen den Slogan, den die meisten immernoch als extrem suboptimal ansehen.
    Aber das ist ja doof, damit hatte niemand gerechnet..und somit die unbeholfenen Schritte der letzten Tage.

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  11. Ahhhhh! Das Würzblog wie ich es liebe! Kritisch ohne blind drauf zu schlagen! Nach dem kurzen Mainpost-Artikel habe ich mir heute die Mühe gemacht und die Diskussion der letzten Tage nachgelesen. Und ich muss schon sagen: mein lieber Scholli. Da hat sich die Würzburg AG vertreten durch Herrn Schneider nicht mit Ruhm bekleckert. Schon im BuenaBlog ging es los mit dem plumpem rhetorischen Mittel, Kritik an der Sache vorauseilend anzukündigen, um dann zumindest im schlimmsten Fall „Ich hab’s ja gesagt“ zu sagen. Und so war es auch. Bei LifeH8 ging es von Seiten der Wü AG dann unter die Gürtellinie (extrem unprofessionell), hier im Würzblog wie immer etwas sachlicher, aber doch schwankend zwischen Schmeichelei und Bockigkeit.

    Wobei sich die Onlinemedien auch nicht die moralischen Grüßen waren. Ich frage mich, wieviel Abmahnungen die Mainpost schon bekommen haben muss wegen persönlicher Beleidigungen in den Kommentaren. Dort herrscht ein Umgangston übelster Sorte, wie ich ihn selten erlebt habe.

    Mich würde auch interessieren, ganz objektiv, welche Rolle die Blogs, Foren und sonstigen Onlinemedien bei der Planung und Einführung des Slogans spielte. Denn da muss ich Ralf recht geben: scheinbar war die Würzburg AG doch recht interessiert, das Thema dort zu platzieren. Aber die Reaktionen darauf erfolgen auf eine recht unbeholfene Weise. Warum? Das hätte sie doch gar nicht nötig gehabt.

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  12. Ein angenehmer Nebeneffekt der ganzen Geschichte — und das meine ich jetzt gar nicht ironisch — ist der Spaß, den man darum hat. Die Mittagspause im Café war sehr lustig mit dem Thema. 😀

    Den Humor nicht verlieren! GANZ wichtig!

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  13. Über Herrn D.S. und seine Tweets (anscheinend heißt das so) kann ich nur den Kopf schütteln. Da macht er auch noch auf seine unqualifizierten Kommentare aufmerksam. Die Inhalte der eigenartigen Kurznachrichten sind auf StudiVZ-Niveau, die vielleicht ein Bruchteil der anscheinend befreundeten Jury verfolgen. So langsam erklärt sich seine – in meinen und in vieler anderer Augen – mangelnde Kreativität bzgl. des Stadtslogans von selbst. Das WüWideWeb ist wahrscheinlich sein neuester Kracher, mit dem er – einschl. der ominösen Jury – vielleicht bald die Würzburger Blogs bewerten wird (bestimmt auch so objektiv wie den Stadtslogan).

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  14. jede art von aufmerksamkeit ist doch recht. bad news are good news. schlechte presse ist gleich der guten presse. man bleibt im gespräch. viel feind viel ehr. marktwert steigern. häppchen-abgreifen. aber ob das der stadtrat und gar der adi aka büffet-bauer mitbekommen? schön, dass stadträte und ähnliches volk sich dazu via mainpost gar nicht äußern. klappe halten war schon immer gut in würzburg.

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