Glaube keiner Umfrage

Die Mainpost zieht hin und wieder mal Umfragen zu Themen durch. Das geht oft ziemlich unter, aber bei so emotionalen Themen wie der „Provinz auf Weltniveau“ wird so einer Umfrage schon mal Bedeutung zugerechnet.

Völlig zu unrecht.

Wie sich schon bei der letzten Oberbürgermeisterwahl gezeigt hat, können diese Onlineumfragen, die z. B. die Mainpost veranstaltet, unglaublich leicht manipuliert werden. Der Manipulations-Anfänger verwendet die etwas stupide, aber effektive Methode Abstimmen, Cookie löschen, nochmal abstimmen, ein Abbrechen der DLS/Moden-Verbindung bringt noch Punkte für die B-Note.

Nur unwesentlich schwieriger ist der Weg der faulen Manipulatoren. Wer einen Macrorecorder wie iMacro für Firefox besitzt, der kann sich binnen 30 Sekunden ein Skript zusammenklicken. Das kann man dann laufen lassen und mal zwei Stunden spazieren gehen – schon sind mal hundert oder mehr Stimmen abgegeben wurden, völlig automatisch.

TAB T=5
URL GOTO=http://www.mainpost.de/lokales/wuerzburg/-bdquo-Provinz-auf-Weltniveau-ldquo-setzt-sich-durch;art735,5234271
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TAG POS=1 TYPE=INPUT:IMAGE FORM=NAME:ted5249885 ATTR=SRC:http://www.mainpost.de/mp_pics/abstimmen.gif
WAIT SECONDS=20
CLEAR
REFRESH

Mit nur ein wenig mehr krimineller und programmiertechnischer Energie kann man noch ausgefeilter Programme erstellen. Ich will aber auch gar nicht aufrufen, diese Umfragen zu manipulieren, im Gegenteil. Mehr zur Problematik bei Onlinewahlen und -umfragen bei literaturcafe.de.

Aber man muss mit diesem technischen Hintergrund das Ergebnis der Umfrage einschätzen können — es ist nämlich exakt völlig wertlos. Absolut wertlos. Es gibt nicht mal eine Tendenz ab, da man überhaupt nicht weiß, wer sich da mal die Mühe gemacht hat und einen Tag wild rumgeklickt oder ein Script hat laufen lassen. Und ob die Gegenseite nicht das selbe gemacht hat. Also egal wie die Umfrage ausgehen wird, ob Provinz oder nicht — wir wissen nicht mehr als zuvor. Und das Argument „Es wissen ja nicht viele, wie man so eine Umfrage verfälscht“ zieht nicht. Ein Manipulator reicht schon, um das Ergebnis in Tonne zu treten.

Warum die Mainpost solche Umfragen in der Form trotz ihrem völligen Mangel an Relevanz durchführt? Seitenaufrufe, ganz einfach. Und die sind Gold wert.

30 Gedanken zu „Glaube keiner Umfrage“

  1. Und was da für Schindluder getrieben wird — da werden Umfragen manipuliert, woanders versucht man, durch pseudosinnvolle Kommentare Links auf seine Website zu hinterlaasen.
    Schlimm.

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  2. Hallo,

    bin leider erst recht spät auf den Blog gekommen – aber was sich da abgespielt hat ist echt krass. Aber so ist es eben.. wo Schinderluder getrieben werden kann, wird auch Schinderluder getrieben.
    Danke auf für die recht interessante Diskussion.. hat mir noch ein paar neue Sichten und Denkweisen bescherrt.

    Gruß Matti

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  3. Danke lieber Alex, für das vorbildhafte Belehren, dass ich einfach zu bescheuert bin, die Genialität dieser wahrlich göttlichen Schöpfung zu verstehen. 😉
    So, und jetzt geh´ ich wieder Steine klopfen…

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  4. Heiko, du kannst doch nicht „ebenfalls“ schreiben, wenn es um das Blamieren geht: Verstehst du denn den Hintergedanken dieser grandiosen Schöpfung immer noch nicht oder bist du einfach kein Mitglied der hochgebildeten Zielgruppe, die den Slogan selbstverständlich im Vorbeigehen zielsicher analysiert und versteht?!

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  5. @hazamel: Der „Steve“ aus den Kommentaren hatte sich auf Grund des Namens „Steve“ angesprochen gefühlt, aber nichts mit dem Artikelschreiber zu tun. Er hat dies in den Kommentaren des MP Artikels mittlerweile klargestellt 🙂

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  6. Zitat Mainpost auf meine Frage warum man die Umfrage nicht manipulierbar sicher macht: „Die Tatsache, dass Sie bei der Umfrage öfter als einmal abstimmen konnten, liegt daran, dass der Kollege, der die Umfrage angelegt hat, vergessen hat, die betreffende Option einzustellen. Bedauerlich, aber kein Fehler oder Problem unseres Systems an sich.“  … is klar 😉

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  7. @sonja: Danke für die potenzielle Unterstützung, aber da wird mir keiner ans Bein pinkeln. Warum auch? Hier wurden keine Sicherheitslücken ausgenutzt, nichts gehackt, sondern einfach ein Weg der Automatisierung gezeigt, was man auch von Hand erreichen kann. Davon abgesehen hätten Nutzer des obigen Skripts gegen den Slogan gestimmt — bis zur Beendigung der Umfrage waren aber die Befürworter deutlich in der Mehrheit. Das kann man nun interpretieren wie man will … 🙂 Ich hätte aber genauso gegen die Umfragen gewettert, wenn die Befürworter 99% erhalten hätten. Diese Zahl wäre genauso irrelevant gewesen. Sogar das Thema der Abstimmung war mir wurscht. Wenn man eine Unfrage macht, dann sollte ma daran interessiert sein, halbwegs relevante Zahlen zu bekommen. Natürlich nicht nach den Maßstäben einer empirischen Erhebung, aber doch so einigermaßen stimmig. Und dann sollte man wenigstens das Scheunentor einer Mehrfachabstimmung so gut wie möglich schließen wollen. Sonst kann man auch Abstimmungen machen, in der man ein Feld einführt, in der man die Anzahl der Stimmen eintragen kann, die mal abgeben will. Das spart wenigstens Zeit und führt zum selben unsinnigen Ergebnis.

    @stefan: Ja, auch bei Telefonabstimmungen hätte ich meine Bedenken bei der Interpretation der Ergebnisse.

    @alex: Schon vor über einem Jahr bei der OB-Umfrage wussten scheinbar viele Lute, wie leicht man die Umfragen in der Mainpost manipulieren kann. Die haben über meine plumpe „Bauanleitung“ wohl nur gegähnt, das kann — und meiner subjektiven Meinung nach: hat — man damals schon deutlich effizienter gemacht.

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  8. Danke Ralf!
    Wenn wir jetzt noch von Lächerlichkeiten wie Susi Sorglos „derSpruchhatmeinInteressegewecktdamussichdochsofortmalnachWürzburgfahren“  verschont bleiben, dann sind wir schon fast wieder auf dem Weg zu einer richtigen Diskussion.

    Dr. Eckart von Hirschhausen hat es gut getroffen:

    „Der Wunsch, recht zu behalten, ist beim Menschen tragischerweise viel intensiver ausgeprägt, als das Interesse zu prüfen, ob man überhaupt recht hat. Dafür schrecken wir auch nicht davor zurück, ständig die Realität an unsere Ideen anzupassen.“

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  9. Dein Beitrag ging am Sonntag online. Manipuliert wurde von Freitag auf Samstag. Das kann man aber natürlich nicht schreiben, weil es da ja zugunsten des tollen Spruches war. Hoffentlich ist das Thema bald durch, der Geschmack ist längst verkocht.

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  10. Also machen Sie demnächst „Telefonumfragen“, und das vermutlich nicht in der Art, dass sie ein Umfrageinstitut beauftragen, sondern knallhart mit 50 ct-Anrufen. Muss doch Geld in die Kasse. Ob dann jemand 30-mal anruft, interessiert dann auch nicht (außer den 15 €, die nimmt man gern mit).
    Erwartet denn irgendwer ernsthaft etwas anderes von einem Provinzblatt? dpa-Meldungen, Symbolbilder und Bildergalerien, wie sie überall in den online-Ablegern von Zeitungen vorkommen.

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  11. Dann hat es wenigstens was gebracht. Nichts gegen die Mainpost, aber diese Umfragen „mit ausgeprägtem lokalen Bezug und hoher Emotionalität“ waren schon lange selbst einer Lokalzeitung unwürdig und peinlich.

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  12. Ich bin nicht mal sicher ob man die Cookies überhaupt löschen muss. Ich habe mit dem Internet Explorer 7 geklickt und nach zirka einer Minute oder weniger konnte ich wieder abstimmen, ohne dass ich etwas „manipuliert“ hätte. Ob’s gezählt wurde weiß ich nicht, aber der Prozenzanzeige ist etwas gestiegen … 🙂

    Es ist eine Schande!!! Solche Umfragen werden dann ernsthaft als Argumente herangezogen („Die Mehrheit der Mainpost-Leser meinte …“). Egal für welche Seite. Die Mainpost sollte das Abstimmungssystem umstellen (Nur angemeldete Leser?) oder es lieber bleiben lassen. Wirklich!

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  13. Hi Ralf, also das mit der Mainpost war ja fast nebensächlich in dem Artikel, aber iMacro kannte ich noch gar nicht und für den Tipp auf jeden Fall ma en dickes Dankeschön!
    Zum Thema: Ich sehe das ähnlich wie gizmo. Wenn jedem Besucher die Möglichkeit gegeben wird den Abstimmungsvorgang unendlich oft zu wiederholen (eine einfache IP- oder Zeitsperre würde das ganze schon schwieriger machen) warum sollte er dies nicht machen. Er muss ja davon ausgehen, dass andere das auch so machen.
    Das Voting-Skript der Mainpost ist wirklich restaurierungsbedürftig und jetzt weiß ich auch warum beim Tierfotowettbewerb verloren habe 😉

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  14. Pingback: wuewatch
  15. ach was ich eigentlich sagen wollte: gut dass du die einfachen (und völlig legalen) möglichkeiten beschreibst. vielleicht lässt es die mainpost mal bleiben. meistens sind die abstimmungen eh völlig uninteressant, aber bei so heissen eisen wie bürgermeisterwahlen und dinge wie diese slogan-diskussion kann ein falsches meinungsbild wirklich auch danach reele entscheidungen beeinflussen. denn ob der stadtrat weiß, dass er den mainpostzahlen nicht glauben kann?
    aber der mp ist das egal, sie schreibt ja nicht mal hin, dass man nur einmal abstimmen darf oder soll. sie geben gar keine regeln vor, schreiben aber nicht mal hin dass das ergebnis nicht repräsentativ ist. und das sollen journalisten sein?

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  16. naja was du veröfentlicht hast ist keine bauanleitung zur manipulation sondern eine schlichte automatisierung eines manuellen vorgangs. wir haben hier mal ein perl-script zum spass erstellt dass über verschiedene proxys auf mp-seiten im zufälligen rhythmus geht und abstimmt. haben es aber nur kurz laufen lassen und aus fairness mal für jeden punkt ^^
    das votesystem der mainpost ist ein absoluter witz.

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  17. @beholder: Es geht mir nicht darum anderen vorzuwerfen, dass sie manipulieren. Es geht darum dass man  Umfragen durchführt, die dermaßen leicht manipulierbar sind. Und ich will zeigen, wie leicht das geht. Aber ich vermute, dass schon viele Leute wissen, wie leicht das geht, wie ich zumindest gestern beim Hafensommer nebenbei so mitbekommen haben.

    Die angegebenen Manipulationsformen sind übrigens für die Mainpost noch recht leicht überprüfbar, die könnte sie sogar im Nachhinein noch halbwegs gut herausfiltern.

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  18. sehr schlau, die Bastellanleitung für die Manipulation so beiläufig zu veröffentlichen, nur um dann soffort zurückzurudern…. wer so genau weiß wie man manipuliert sollte damit nicht hausieren gehen, wenn er anderen den Vorwurf der Manipulation macht. Nur so nebenbei 😉

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