Abgefangen und entkommen

Odeon-LoungeDinge passieren einem nachts in Würzburg. Am Mittwoch bin ich nach dem Blogger- und Twitterstammtisch nicht in die Stadt und wollte noch etwas trinken. Mein Geldbeutel war ebenso leer wie die Zigarettenschachtel, also bin ich noch zur Sparkasse in der Domstraße gelaufen. Geld abgehoben, zurück Richtung Sanderstraße und unterwegs noch Zigaretten gekauft.

Und wie es bei Bloggern und Twitteristas nicht unüblich, habe ich beim Laufen auf dem Handy gelesen und eine Zigarette geraucht (nicht unüblich nur für Blogger und Twitteristas, die auch rauchen). An einer spannenden Stelle, ich glaube ich habe gerade einen Blogbeitrag gelesen, blieb ich kurz stehen. Auf dem Gehsteig. Vor dem Odeon!

Und aus irgendeinem Grund war das ein furchtbarer Fehler.

In der berufsbedingten Noch-bin-ich-höflich-ich-kann-aber-auch-ganz-anders-Haltung kam ein Mitglied der Odeon-Security auf mich zu und — hm, ich nenne es mal „bat“ mich, in den durch einen Streifenvorhang abgetrennten Vorraum vor dem Odeon zu gehen, ich dürfte hier nicht rauchen.

Mein „Ich rauche hier doch nur“, das nicht wirklich zur Diskussion beitrug und meiner Überraschung geschuldet war, beeindruckte ihn wenig.

„Aber nur im Raucherbereich“, sagte der Wächter der Sicherheit, und wies Richtung Vorhang.

Ich sammelte mich und bemühte mich um eine vernünftige Argumentation, was um halb eins in der Nacht nicht gerade meine Stärke ist. „Wieso darf ich hier nicht rauchen, hier auf dem Gehsteig ist doch öffentlicher Raum?“, klugschiss ich.

Er ging auf dieses überaus clevere Argument gar nicht ein. Das hatte er auch nicht nötig, denn mit seiner Antwort nahm er mir jeglichen Wind aus den Segeln: „Wir müssen alle Raucher in den Raucherbereich dort schicken!“

Nun verstand ich. Es ging also um etwas, das größer war, als ich und er zusammen. Der Mann hatte keine Wahl, er war für ein höheres Ziel unterwegs. Alle Raucher, die die Augustinerstraße durchquerten, müssen unter dem Vordach des Odeon zusammengetrieben werden. Keine Ausnahmen!

Demütig und schicksalsergeben ging ich durch den Vorhang, was blieb mir schon anderes übrig. Ich zog genussvoll an meiner Zigarette und rechnete damit, dass es meine letzte wäre. Ich sah mich um. Meine Mitraucher waren gut gelaunt. Galgenhumor? Denn bestimmt passierte hier gleich etwas furchbares. Vor meinem inneren Auge sah ich schon die Decke herabsinken und die unerwünschten Raucher zu Nikotinsaft zerquetschen. Oder wurden wir abtransportiert, einer Gehirnwäsche unterzogen und als kommunaler Ordnungsdienst eingesetzt? Ich drückte die Zigarette ordentlich im Aschenbecher aus und als keiner hinsah, schlich ich zurück durch den Vorhang auf die Straße.

Auf Zehenspitzen ging ich weg vom Odeon, die Security aus den Augenwinkeln beobachtend. Aber er Mann machte keine Anstalten mir zu folgen — was war ich erleichtert!

Ich laufe nachts auf keinen Fall mehr durch die Augustinerstraße — ich hatte einmal Glück und will es nicht herausfordern. Denn wir wissen, Soylent Green ist Menschenfleisch — aber was ist Odeon?

7 Gedanken zu „Abgefangen und entkommen“

  1. haha,

    sehr guter Beitrag, bin auch immer wieder erstaunt, was dir in Würzburg so alles passiert. Ich hab eine nette Ich-bin-bloß-vor-dem-Club-Geschichte für dich, die mir vor Jahren in München passiert ist.

    Die Münchner unter euch kennen vielleicht das „Crash“ in Schwabing. Auch ich war nur auf der „Durchreise“ zu einem anderem Club. Im besagten „Crash“ durften allerdings die Jugendlichen damals bis Punkt 12 Uhr abfeiern, danach wurden sie alle rausgeschmissen. Mein Pech war, dass ich um ca. 00:10 dort vorbeikam. Die Teens standen vor dem Eingang und haben sich dort gesammelt oder so. Ich drückte mich vorbei – und war auf einmal Patschnass. Der Kommentar dazu: „Seid endlich leise!“ – gerufen von der Dame, die über dem Crash wohnte und einen Eimer Wasser ausgeleert hat.
    Toll, da stand ich wie ein begossener Pudel – obwohl ich gar nichts gemacht habe.

    Und die Moral von der Geschicht: Halte immer Abstand von Clubeingängen.

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  2. Interessant, was Dir in Würze so alles passiert. Neulich das Knöllchen wegen Ziggiwewerfens, diese Woche das. Was kommt als Nächstes? Ich bin gespannt und zünd mir schonmal einen Rillo an.

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    • Meine Vermutung: Sicher darf man auf der Straße rauche, nur will das Odeon keinen Ärger mit den Nachbarn und lässt deswegen sein Personal alle Menschen, die nach Gast aussehen in den Raucherbereich schicken. Das ganze erinnert mich an eine seltsame Situation, als ich mit zwei Bekannten einmal vor der Pizzeria am Paradeplatz stand und mich ein paar Minuten unterhielt (normale Lautstärke, damals standen da noch keine Tische draußen). Auf einmal kam der Wirt nach draußen und fragte, was unser Problem sei und drohte die Polizei zu rufen, wenn wir nicht verschwinden würden: Ich habe bis heute keinen blassen Schimmer was das Problem war, ich war in dem Moment aber auch zu perplex um nachzufragen.

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