Am 6. Juni war Sehbehindertentag. Das Berufsförderungswerk Würzburg, das Blindeninstitut und der Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund haben in Würzburg an diesem Tag Stadtratsmitglieder und Presse eingeladen, mal auszuprobieren, wie man sich als Blinder oder Sehbehinderter in der Stadt zurechtfindet.
Und da es in Würzburg — schon alleine durch das BFW und dem Blindi — doch einige Blinde und Sehbehinderte auf der Straße unterwegs sind, ist es mal ganz gut, sich in deren Lage zu versetzen.
Sozialreferent Robert Scheller und SPD-Stadtrat Udo Feldinger waren früh da — später habe ich noch Raimund Binder von der ÖDP gesehen — und ließen sich von Mobilitätstrainern den Umgang mit dem Blindenstock erklären. und liefen mit Brillen, die Blindheit oder starke Sehbehinderungen simulierten, durch sie Würzburger Innenstadt. Erklärt wurde auch die Navigation durch Apps wie Blindsquare auf dem Smartphone, das Daten aus Foursquare und Open Street Map zieht und dem sehbehinderten Benutzer Orientierungspunkte über Sprachausgabe liefert — „Marktplatz in 50 Meter“, „Dom in 30 Metern“, … .
Später durfte ich auch selbst mal ran. Schnelleinführung Blindenstock, auch Langstock genannt: Zeigefinger auf die flache Seite des Griffs, Stab in Schrittfrequenz auf dem Boden nach links und rechts auf dem Handgelenk pendeln lassen.
Dazu bekam ich eine sogenannte RP-Brille, die mein Sehfeld komplett schwarz macht — bis auf ein kleines Loch vor meinem linken Auge. Damit wird wird Retinitis pigmentosa simuliert, eine Degeneration der Netzhaut, bei der sich das Sehfeld des Betroffenen immer weiter einengt, bis eben nur noch ein kleiner Fleck übrig bleibt, mit dem er mehr oder weniger scharf sehen kann. Prima, dachte ich, dann wird das ja gar nicht so schwer, ich sehe ja noch was.
Klar hab ich mit der Brille noch etwas sehen können, aber das räumliche Orientierungsvermögen wurde bei mir völlig außer Kraft gesetzt. Ich bin mit dem Stock an einem Schild hängengeblieben, von dem ich mir mit meinem kleinen Sehrest sicher war, dass er einige Meter rechts von mir stünde und ich locker daran vorbei käme. Also müssen die anderen Sinne verstärkt genutzt werden.
Der Stock gibt mir Informationen über Hindernisse und die Beschaffenheit des Bodens. Eingangsbereiche von Geschäften haben gerne mal eine andere Oberfläche. Einfahrten kann man an einer veränderten Akustik erkennen. Den Blumenladen in der Plattnerstraße durfte ich erriechen, da er auch erst mal außerhalb meines Sichtfelds war. Und Kopfsteinpflaster habe ich in den zehn Minuten, in denen ich mit dem Blindenstock unterwegs war, hassen gelernt, da das Stockende herumspringt und mir — zumindest als Neuling am Langstock — keine brauchbaren Informationen gibt.
Praktisch sind die Blindenleitsysteme an manchen Stellen. In den Boden eingelassene Rillensteine weisen längs den Rillen entlang den Weg z. B. zu einer Haltestelle oder. Sind die Rillen quer zur Laufrichtung, dann bedeutet das Halt. Sinnvolle Orientierungsmöglichkeiten für Blinde und Sehbehinderte in der Stadt.
Wenn man sie richtig installiert.
Weniger clever wurde das Blindenleitsystem in der Sanderau an der Adalbero-Kirche verlegt. Die Idee, auf den Zebrastreifen hinzuweisen und den Blinden zum Verkehrsüberweg durch eben solche Längsrillen zu führen, ist ja gut. Blöderweise wurden alle Platten um 90 Grad gedreht verlegt und — um den Ganzen noch die Krone aufzusetzen — eine Laterne mitten auf das Blindenleitsystem gestellt. Schlimmer geht es kaum.
Weiter bin ich dann noch in die Graf-zu-Bentheim-Schule in der Herzogenstraße. Dort gehen sehbehinderte Kinder und Jugendliche zur Schule, der Unterrichtsraum ausgestattet mit einem digitalen Smartboard — auf dem man prima vergrößert schreiben und zeichnen kann — und für manche Schüler noch einen extra Monitor am Tisch, mit dem sie den Inhalt des Smartboards noch mal vergrößern und den Kontrast verändern können.
Den Beitrag des Bayerischen Rundfunks zum Sehbehindertentag kann man hier ansehen.
P.S: Gut, ich gebe zu, die Aussicht auf Käsefüße haben mich auch in die Schule gelockt. 😉