Wenn die Gitarren klingen und die Synapsen schwingen

Charly „Freakshow“ Heidenreich hat mal kurzerhand ein Nachwuchs-Jazz-Progressive-Rock-Gitarren-Festival ins Leben gerufen, von Charly auf „Shut up and play your Guitar“-Festival genannt. Gestern bin ich nach Feierabend ins Immerhin gehuscht, um wenigstens den ersten Tag mitzuerleben.

Krebszucht auf Amrum
Krebszucht auf Amrum

Die Hetzerei hat sich gelohnt. Nach sehr kurzweiligen eineinhalb Stunden des Wartens ging es mit der ersten Band los. „Krebszucht auf Amrum“ hießen die drei Jungs, die sich auf Abschiedstour befanden — nach zehn Jahren wird das Projekt aufgelöst, da die Drei genug andere Bands und Projekte am Laufen haben.
Aber nichts desto trotz hauten die Nordlichter uns Unterfranken die Gitarre, Bass und Schlagzeug mit Lieder wie „Lindenmulch“, „Es ist ein b, du Arsch“ oder „Dampfsauna“ in die Ohren. Es war ein lustiges Konzert im dunklen und fotounfreudlichen Keller. Aber in den kühlen Katakomben war es eigentlich sehr angenehm in dieser warmen Sommernacht.

Mister Trief
Mister Trief

Weiter ging es nach einer Umbaupause mit Mister Trief, einer Formation aus drei Musikstudenten, wovon zwei ehemalige und einer aktuell einer ist — aber es wurde nicht verraten, wer nun der Noch-Student ist. Und Mister Trief legte nochmal eine Schippe drauf. Fetter Bass, ein hyperaktives Schlagzeug und Gitarre mit teilweise angedockten Synthesizer ließen mit ihrer krude Mischung aus Experimentellem und  „Herkömmlichen“ machen Kiefer tiefer hängen. Auch sie neigten — wie viele Bands in dem Metier — zu lustigen Songnamen wie „Schnee sei frisch gefallen“ oder „Farben des Uterus – rot und blau“. Für mich waren die drei Dresdner das Highlight des Abends.

Counterworld Experience
Counterworld Experience

Zum Abschluss gab es Counterworld Experience, bei denen es härter zu Sache geht und die einen Hammer-Bassisten hatten. Hut ab. Leider konnte ich deren Konzert nicht mehr zu Ende hören, die letzte Straßenbahn fuhr ich war nach dem langen Tag auch völlig fertig.

Es war wirklich ein toller Abend. Im Immerhin konnten man gut zwischen den Konzerten rumlungern und mit den Leuten quatschen, die Kerls hinter der Theke waren nett und Charly war halt Charly. Nur schade, dass so wenig Besucher da waren — ich schätze mal optimistisch um die 20. Klar ist das keine Musik für die Massen, was da gespielt wird. Aber ich kann jedem empfehlen, sich mal auf solche Konzerte einzulassen und die von Radio und Fernsehen gequälten Ohren dort wieder durchspülen zu lassen.Guitar-Challenge im Immerhin in Würzburg 12.06.2015 21-43-31 5456x3632

Klar sind ist die Karte nicht billig. Aber Charly muss natürlich auch kalkulieren: Die Bands wollen Gage, Essen und Unterkunft. Neun Musiker waren gestern da, Da bleibt nicht mehr viel. Würden mehr Besucher kommen, wäre der Eintritt auch billiger. Aber im Grunde: Gut sechs Euro für je ein Konzert sind auch nicht die Welt.

Heute am Samstag (13. Juni 2015) gibt es für Mutige und Interessierte noch eine Gelegenheit, bei dem Gitarren-Fesitval zuzuhören: Der zweite Teil findet ab 16 Uhr — plant mal kurz vor 18 Uhr für die erste Band 😉 — im Blauen Adler statt mit vier Bands: Die Arroganz Allianz, Uhl, Zodiak Trio und als Special-Guest Alfie Ryner aus Frankreich.

Fotos hab ich auch gemacht, aber das Immerhin hat für Fotos die mit Abstand am schlechtesten beleuchtete Bühne Würzburgs. Ich gab mein Bestes beim Knipsen. Gute Bilder gibt es von Monika bei Artrockpics.com – und ich hab mich sehr gefreut, sie mal wieder zu sehen! 🙂

 

 

2 Gedanken zu „Wenn die Gitarren klingen und die Synapsen schwingen“

  1. Schon wieder ein paar Tage her, das Ganze! Der Samstag hätte Dir sicherlich auch gefallen und die Location „Blauer Adler“ ist sowieso Sahne.
    Dann merkst du dir sicherlich das letzte Septemberwochenende und Samstag, den 24.10. vor, oder? see you!

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  2. mein musikalischer bruder-im-geiste RIGOBERT DITTMANN hat seine gedanken zum zweiten tag des FREAKSHOW-FESTIVALS „SHUT UP AND PLAY YOUR GUITAR“ bereits in worte für sein BAD-ALCHEMY-MAGAZIN gegossen:

    FREAKSHOW ARTROCK FESTIVAL – PART 1

    They are coming to take you away, haha

    Genauer gesagt, ist nur von Part 2 von Part 1 die Rede, denn ich
    entscheide mich für den Halbmarathon am Samstag, den 13.06.2015.
    Wieder in der Blauen Meise, Quatsch, im Blauen Adler, der
    Vereinsgaststätte des ETSV Würzburg in der Mergentheimer Straße.
    Ich hab dort zwar noch keinen mit Eisenbahnen turnen sehn, aber die
    Fußballerinnen spielen 2. Liga. Am Abend zuvor haben, wie ich mir
    sagen lasse, Krebszucht Auf Amrum das Immerhin gerockt. Und
    Mister Trief machte vor, was drei junge Burschen unter
    ‚experimentellem Rock-Jazz‘ verstehen. Mit Spielerlaubnis für die
    U21 boten sie Tanzmusik für Fans umstrittener Objekte (Gliese 581 d
    lässt grüßen). Und Counter-World Experience bombastelten wieder
    ihren weichmetallischen Kingsize Metal.

    Heute macht die chice ARROGANZ ALLIANZ den Anfang. Max Meyer
    aus Bremen an der Gitarre, Christian Hohenbild aus Berlin an den
    Drums und – huch, Mädchenalarm – Elisabeth Hoppe aus Bern in
    kleinem Schwarzen am Kontrabass. Analog (nein, das bedeutet nicht
    das, was Ihr denkt) zu Intelligent Dance Music machen sie als
    ‚anonyme Kakophoniker‘ intelligente Gitarrenmusik. Mit geräuschhaft
    gekrabbelten Ein- und Überleitungen von ‚Glitzerbraun‘ zu ‚The
    Golden Pudel Club‘, sophisticated und transparent. Was wiederum
    nix mit Schweiß zu tun hat, denn zu dieser Musik schwitzt man selbst
    im Anzug nicht. Obwohl sie groovt, mit strammen 4/4, oder blechern
    scheppert zu nuancierten Klangschattierungen und aufrauscht bis zu
    einem abrupten Schnitt. Aber sie bleibt auch, fein bepingt mit
    quadratischem Beat und Gitarrenloopgekringel, unaufdringlich, mit
    deutlichem Vorbehalt gegen bratzenden Schweinkram. ‚Ob Jesus
    das reicht‘ fragen sie, rein rhetorisch. Tja, wer sich so arroganz
    versichert, der hat durchaus nicht ausgekichert. Meyer fingert flink
    und pikant, lässt es nur sekundenkurz krachen. Dann sind wieder
    elegante Arpeggiofiguren und agil hoppendes Pizzikato angesagt zu
    beatmobiler Klack- ’n‘ Rollerei. ‚Ruhig Blut‘ ist das Motto dieses
    abgespeckten Post-Jazzrocks. Einem zittrigen Tango wachsen
    Flügel, die Hoppe ihm aber gleich wieder absägt. Das Erwachen
    daraus ist zuletzt nicht so bös wie es heißt.

    Die Saarländer Ex-‚Discoboys‘ UHL laden ein zu bockigem Noise Jazz, mit
    furiosem Drumming von Martial Frenzel, E-Bass-Power von Lukas
    Reidenbach und gottvoller Gitarrististik von Johannes Schmitz. Laut ihrer
    Debut-CD auf Gligg sind vergiftete Pille-Palle-Stücke ihre Spezialität,
    Stücke, die einen träumerisch stimmen und nicht gefasst darauf, dass
    Fistfuck-Zombies mit „Muhaah!!“ auf einen zustorzeln. Tatsächlich
    beginnen sie sanft. Bis der Bassist den Schalter umlegt für Crash und
    Karambolage ohne Rücksicht auf Knautschzonen. Phänomenale
    Schmitzerei und stramm stampfende Beats, direkt in yer face. Von
    Attacke zu Attacke zu springen, macht, unter Freaks gesagt, an sich noch
    keine Nachtigall. Aber die Saarländer sind da schon sehr konsequent,
    und Schmitz, ein Schlacks mit Goatie, der in Krassport, in Botanic Mob
    mit Jörg Fischer an den Drums und Im Trio an der Seite von Christof
    Thewes noch weitere heiße Eisen schmiedet, kann mit seinen schlimmen
    Fingern alles, bloß nicht fad. ‚Victims Pt. 2‘ richtet sich an Menschen mit
    Gefühlen, ohne aber die Rasanz zu reduzieren. Denn der Drummer
    kündet mit Tatortreiniger-Tonfall wie ein Anrufbeantworter jedes Stück an
    mit: „Sehr verehrte Damen und Herren, das nächste Stück ist eine
    Ballade, also etwas für’s Herz.“ Um, seinem Alkoholpegel trotzend, beim
    vierten oder fünften Anlauf die Drohung wahr zu machen, halbwegs. Das
    Herz muss hier einiges aushalten, sogar eine Horror-Hai-Attacke. Aber
    der Martial kann auch Metronom. ‚No home‘ knattert aber wieder wie Sau.
    Denn „es geht ja nicht alles um die Rente“. Gut erkannt, und heavy, aber
    saukomisch vorexerziert mit Slidefuror bis zum geht nicht mehr.
    ‚Aftermath‘ bringt Uhl nicht sooo hart, aber besonders schnell und
    federnd. Nur um anschließend noch schneller und lakonischer zu fetzen.
    ‚Schnickschnack‘ wird im Gedenken an Christopher Lee und dessen
    kleinen Bond-Filmpartner gehämmert. Als Encore gibt es ein
    holterdipoltriges ‚Caravan‘ auf Speed. Ha, da fühl ich mich doch zugleich
    geschüttelt und gerührt.

    Zwischen seinen Auftritten mit The Dorf macht der Trompeter John-
    Dennis Renken zusammen mit Andreas Wahl an der Gitarre und Bernd
    Oezsevim an den Drums gern mal als ZODIAK TRIO kleine Abstecher aufs
    Moers Festival (vor 3 Wochen) oder zu uns. Zodiak mit k wie in
    hochkarätig. Renken spielt ja auch mit Angelika Niescier in Ruhrecho, und
    Oezsevim ist kaum wegzudenken von der Seite von Gunter Hampel. Sie
    beginnen hardboppig mit ‚Strich 12‘ und Renken als Cooker, aber doch
    auch schon mit Elektrodrive. Gefolgt von prickelnden Kürzeln und
    kompliziertem Unisono mit der Gitarre. Die ihrerseits effektvoll in Sound
    schwimmt. Bei ‚April‘ wird’s lyrisch mit schwärmerisch glänzender
    Trompete. Ich checke mental meine Erinnerungen an Molvær (mit
    Westerhus), Peter Evans (mit Halvorson) oder Pablo Giw, und kann doch
    nur Renkens eigenen Ton konstatieren. Als werdender Vater übt er sich
    mit Wahl in Kinderbelustigung, Oezsevim fällt mit animiertem Klimbim ein.
    Bei ‚Fjord‘ pfeift ein eisiger Wind, den die Trompete mit warmer Poesie
    und jetzt doch auch etwas Molvær-Feeling vertreibt, Oezsevim grummelt
    und lässt das Blech zischen, Wahls Rypdalistik wird elektronisch
    bezwitschert. Nach boppig treibendem Gitarrenstakkato wird’s wieder
    lyrisch mit Delayeffekten als gitarristischem Intro zu einer Wiegenliedprobe
    mit dem strahlenden Vater in spe. Aber seit wann kommen
    ‚Nachteulen‘ krachig und mit Fanfarenton daher? ‚Streithahn‘ setzt quirlig
    verzwirbelt noch eins hinten drauf, als extrafeiner Gestaltwandler, der gut
    und gern das 3- und 4-fache an offenen Ohren verdient hätte.

    Mit dem Schrumm Schrumm eines Trauermarschs
    und Stimmsamples bereitet zu vorgerückter Stunde
    dann der Joker und Bonus des Abends sostenuto
    seinen ersten Groove vor. ALFIE RYNER aus
    Toulouse entspringen offenbar dem gleichen
    Freakpool, aus dem Charly auch schon Jack
    Dupond, Camembert oder Chromb gefischt hat. Mit
    Gitarre, Saxophon und Posaune zielen sie direkt in
    mein Lustzentrum. Mannsgroße Comicskelette wie
    von Jason, ein Dämonenjäger, ein Revolverheld, ein
    Slasherzombie und einer mit einem Moustache wie
    Kaf fernbüf felhörner, suggerieren Dia de los
    Muertos-Spaß. Schromm, schromm, schromm
    diktiert der gnadenlose E-Kontrabass von Guillaume
    Gendre, bis die martialischen Viertel abbrechen für
    die einsame Gitarre von Gérald Gimenez. Guillaume
    Pique i s t abwechselnd für Posaune und
    Elektromysterien zuständig, für verzerrte Stimmen
    und Keyboardgefinger. Dem noisigen Vorlauf folgt
    immer wieder feuriges oder feierliches Gebläse. Und
    dazwischen der Clou des Ganzen, die Tiraden, die
    der Saxophonist Paco Serrano Pozo deklamiert, erst
    f ranzösisch, dann auch spanisch, als ein
    Seelenbruder von Cesar Amarante in Radikal Satan
    oder Verehrer des Toulouser poète d’action Serge
    Pey. Dass mir nur obskure Vergleiche in den Sinn
    kommen, zeigt schon die Besonderheit. Mit rauem rr
    geistert da die Spinnenfrau, la infame mujer araña,
    zusammen mit Billy the Kid, A-Zarqaoui, Vampiren
    und Hexen, durch seine Zeilen. Dazu dann ein
    Klagel ied der Gi tar re und immer wieder
    Bläserstakkatos und Elektronoisefransen in
    getragenem Duktus. Reißen gitarristisches Zickzack
    und Bläserstöße mit hohem Tempo den Raum auf,
    wird er besetzt von Basstristesse und der
    fauchenden und stöhnenden Posaune. Bis die
    rasante Reprise den Deckel zuklappt. Und noch
    einmal stellen sich die entfesselte Gitarre und
    Synthinoise dem Tod und weiß der Teufel was, bis
    die Bläser den Sarg zunageln. Serranos Sarkasmen
    die er mit markantem Hüftknick interpunktiert, lösen
    knatternde Stürme aus, bis Schritttempo erstmal
    wieder die Nerven beruhigt. Doch schon zündeln die
    Bläser wieder an den letzten Minuten des Tages. Der
    natürlich nicht ohne Encore endet. Erst der ‚Tango
    Toxico‘ setzt den Schlusspunkt mit grotesk
    angeknabber ter Theatralik und zuckrigen
    Totenköpfen an Gardels Grab.
    Warum sich in einer Universitätsstadt mit
    Schwerpunkt Musik, Gitarrenbutik und Jazzinitiative
    kaum 30 Hansel den Spaß an diesem phantastischen
    Razz-Jock-Honeymoon gönnen, werde ich allerdings
    in diesem Leben wohl nicht mehr kapieren.

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