Drei Schrauben für den Handwerksdödel

Es war mitten am Vormittag, als der Monitor umfiel. Das machen meine Bildschirme auf dem Schreibtisch sonst nie, zumindest nicht ohne mein Zutun. Aber ich hatte meine Hände auf der Tastatur meinen Notebooks, als erst ein Geräusch ertönt, wie man es sonst nur in der Tierkadaververabeitung zu hören erwartet, und dann der flache 24-Zoll-Bildschirm einfach nach vorne kippte.

Manchmal zahlt es sich aus, wenn der Schreibtisch voll mit Technik steht. Die sanften Rundungen der Creative Pebble-Lautsprecher fingen den ersten Schwung des fallenden Schirms auf, den Rest der kinetischen Energie verteilte sich auf mein Superlux-Headset, mein Zoom-H6 und rund 20 Metern wohlig weichen USB-Kabeln.

Als mein Herz wieder zu schlagen begann, ergab eine schnell Inspektion, dass sowohl der Bildschirm als auch seine heldenhaften Retter auf dem Schreibtisch den Sturz unbeschadet überstanden haben. Dann begann die kriminaltechnische Untersuchung: Wie kam es zu dem Absturz? Der forensische Teil meiner Großhirnlappen wurden nicht großartig herausgefordert: Die Schraube, die den winkelhaften Fuß des Monitors mit dem stabhaften Teil des Ständers verband, steckte nicht mehr in dem gewindehaften Loch.

Ich erinnerte mich, dass die Schraube bei der Montage des erst vor wenigen Wochen gekauften Bildschirms nur um Haaresbreite ins Gewinde eindrang. Vielleicht hatte ich nochmal auf die ganze Konstruktion gespuckt, ich weiß es nicht mehr, zumindest hielt der Standfuß auf wundersame Weise das Gewicht des Monitors. Bis heute.

Ein Schrauben-Abenteuer in Schwarz und Silber.

Ich hatte in den 80er-Jahren einige Folgen MacGyver und Robbi, Tobbi und das Fliwatüt gesehen, doch die dadurch erworbenen handwerklichen Fähigkeiten reichten nicht aus, den Standfuß wieder seinen Namen zu Recht tragen zu lassen. Es stand und fußte nicht mehr. Die wenigen Mikrometer, die ich die Schraube durch den Fuß in die Halterung mit aller Kraft pressen konnte, reichte nicht aus, im Gewinden zu greifen. Die Schraube weigerte sich, irgendwas zum Thema Haltung beizutragen, sie hielt nicht. Schwarz war sie, die Schraube, was zu ihrer Boshaftigkeit passte. Und kurz. Zu kurz für die hohen Anforderungen, die das Universum an sie stellt.

Nun gut. Mag der Rest der Welt dann beginnen, das Schicksal und eben dieses Universum zu verfluchen, als Würzburger bleibt man in solchen Situationen völlig gelassen. Denn wir haben, was dieser Rest nicht hat: einen Schrauben-Sepp mitten in der Stadt. Da kann der durchschnittliche Baumarkt auf der grünen Wiese mal einpacken.

Also schwang ich mich in der Mittagspause auf Cids Sattel und radelte in die Bronnbacher Gasse, die böse, kurze, schwarze Schraube in der Hosentasche.

Schrauben-Sepp: Wie kann ich helfen?

Ich: Überraschenderweise mit einer Schraube. (Scham schoss mir rot ins Gesicht ob diesen schäbigen Witzes. Ich zog die böse, kurze, schwarze Schraube aus der Tasche)  So eine brauche ich, nur ein paar Millimeter länger.

Schrauben-Sepp: (Nimmt die böse, kurze, schwarze Schraube in die Hand). Das ist eine Fünf-Zehner. (Er hält dann ein Lineal wohl an die Schraube, um mich als Kunden zu beruhigen, er weiß genau, dass die gemessene Länge mit der durch Augenmaß ermittelten übereinstimmt. Er tritt hinter der Theke hervor und geht ohne zu zögern zu einem der tausend Plastikkästchen, die an der Wand montiert sind.) Das sind Fünf-Sechzehner. Wie viele brauchst du?

Kennt ihr das? Wenn dir durch den Kopf schießt: Du kannst doch jetzt nicht eine einzige Schraube kaufen! Nicht beim Schrauben-Sepp! Die kostet hier nur ein paar Cent. Ich kann dem Mann, einem Experten, einem Meister seiner Zunft, ein Professor der Schraubologie, dem Superheld Captain Schraubo, nicht einfach nur ein Zwanzig-Cent-Stück in die Hand drücken. Ich muss große Taten mit Großem belohnen.

Ich: Ähhhh … drei!

Schrauben-Sepp: (völlig ungerührt) Das macht 60 Cent.

Ich: (Mist!) Und ich mach einen Euro. (Jetzt lässt du es aber mal so richtig raushängen, Ralf. Ganz toll, du Amateur-Krösus)

Schrauben-Sepp: Vielen Dank. Servus!

Ich: Servus!

Mit einer Mischung aus Glückseligkeit, Ehrfurcht und latentem Scham im Herzen und einer bösen, kurzen, schwarzen Schraube und drei herrlichen, langen, silbrigen Schrauben in der Hosentasche verlasse ich den Schrauben-Sepp — ja, der Laden heißt wie der Besitzer — und radle wieder nach Hause.

Der Fuß und der Ständer sind dank der einen herrlichen, langen, silbrigen Schraube wie verschweißt verbunden. Die zwei weiteren herrlichen, langen, silbrigen Schrauben passen auf die böse, kurze, schwarze Schraube auf, damit sie nichts mehr zum Absturz bringt. Danke Schrauben-Sepp.

5 Gedanken zu „Drei Schrauben für den Handwerksdödel“

Schreibe einen Kommentar