Blaue Sieben vom roten Sofa

Ich habe ja schon lange kein Album von Musikerinnen und Musikern in und um Würzburg mehr hier im Blog vorgestellt. Jetzt im Urlaub mach ich das mal wieder, eine zweite ist schon in Arbeit, und vielleicht auch öfter mal in Zukunft, mal sehen. (P.S. Wie ihr merkt, hat sich das Schreiben des Artikels etwas hingezogen, mittlerweile ist mein Urlaub vorbei. Ich habe unten alle paar Tage mal über ein Stück des Albums geschrieben, so häppchenweise).

Aber jetzt taugt es mir ganz gut. Es geht um das Album „Seven“von Jochen Volpert. Und der hat in der Corona-Zeit auch keine Bühne von Nahem gesehen (abgesehen von einem großartigen Minikonzert beim Ukulele-Workshop — wir haben also schon zusammen gespielt. 😜). „Der zweite Lockdown mit abgesagten Auftritten und Proben hatte somit zumindest musikalisch etwas Positives: Genügend Zeit und Ideen für das neue Album ‚SEVEN'“, heißt es im Pressetext des Albums.

Das Pressefoto zu dem Album „Seven“. Und das auf dem Bild muss wohl das rote Sofa sein.

Jochen hat also monatelang auf seinem wohl rotem Sofa gehockt, vor sich auf den Gitarren hingedengelt und so manches dabei aufgenommen. Die digitalen Aufnahmen hat er denn befreundeten Musikern geschickt, die haben noch Schlagzeug, Keyboard und Bass — manchmal hat Jochen den auch selbst gezupft — darübergespielt, fertig war der Lack. Also das Album „Seven“. Nix mit Gesang (außer dem Bonustrack, aber der zählt nicht), nur Instrumente. Und im Mittelpunkt Jochens Gitarren. Früher wäre das also eher ungewöhnliche Entstehungsgeschichte eines Albums, in Corona-Zeiten könnte das öfter vorgekommen sein.

Im Pressetext schreibt Jochen Volpert ein paar Zeilen zu jedem Song. Dann mache ich das hier eben auch.

„BROTHERS: Das energetische Gitarrenriff dieses Songs hat einen 70ies Touch und erinnert mich unweigerlich an die ‚Allman Brothers‘. Beim ersten Hören des vollständingen Songs war mir klar, dass das der Eröffnungssong des Albums sein muss.“

Ja, Jochen, zu Recht der Eröffnungssong, auch für mich. Auch weil er für mich auch das Titellied einer TV-Serie aus den 80ern sein könnte. Du weißt schon, eines dieser ewig langen Intros, die damals üblich waren, wo man Schnipsel aus Serienszenen mehr oder weniger kreativ aneinandergepappt hat und gefühlt immer mit Musik von Mike Post unterlegt war. Aber du hast recht — jetzt wo ich es bei dir lese, muss ich auch an die rockige kleine Cousine von Jessica Allmann denken.

„MR. TOSHO: Dieser Shuffle ist eine Hommage an den deutschen Bluesgitarristen ‚Todor Tosho Todorovic‘ von der Band ‚Blues Company‘. In den 90igern hörte ich mir viele CDs der Band an und ließ mich von seinen Gitarrenlicks inspirieren. Es müssen nicht immer die amerikanischen oder englischen Gitarristen sein, die einen aufhorchen lassen.“

Dass mich der Song nicht an TTT erinnert, liegt vielleicht auch daran, dass ich von Herrn Todorovic noch nie gehört habe. Prima Lied zum Spazierengehen, auf die gut gelaunte Art. Und irgendwie hatte ich Ocean’s Seven im Kopf. Wenn ich mal eine Bank ausraube, wird das vielleicht mein Soundtrack. Heist-Movie-Potenzial.

„ALIEN LOVE: Dies ist der rockigste Song des Albums. Hier habe ich auf Drop D runtergestimmt und mir die Frage gestellt, ob und wie die Aliens Liebe empfinden. Dies ist meine musikalische Umsetzung dieser Gedanken.“

Sauber und hart auf die Zwölf gespielt. Offensichtlich ist außerirdische Liebe ein starkes und heftiges Gefühl, Blümchensex wird es da auch nicht geben. Jan Hees haut auch ordentlich auf die Trommeln und der Schluss ist wohl eine akustische Liebeserklärung auf einem Gasriesen. Das mit dem „Drop D“ google ich bei Gelegenheit.

„FOUR GUITARS: Dieser groovige Blues geht über mehrere Tonarten. Hier werden vier verschiedene Gitarren über dieselbe Einstellung eines Mesa Boogie Verstärkers gespielt. Eine interessante Erfahrung, wie sich die verschiedenen Gitarren klanglich in diesem Song verhalten.“

Sorry Jochen, sehr schöne Gitarren — wohl vier an der Zahl — und es groovt wirklich gut, aber der eigentliche Held des Stücks ist für mich die Orgel im Mittelteil (Hammond?). Allerdings habe ich das Gefühl, ich erfasse nicht die ganzen musikalischen Feinheiten des Stücks. Das ist aber mein Fehler, nicht deiner.

„FOR LOVERS: Eine ruhige und sphärische Instrumentalnummer auf dieser CD. Für mich der ideale Song zum relaxen oder für eine entspannte Nachtfahrt mit dem Auto. Ein Ohrenschmaus auch über den Kopfhörer.“

Und für mich die langweilige Nummer des Albums, sorry Jochen. Dabei habe ich grundsätzlich nichts gegen solche lange und ruhige Instrumentalstücke. Ich stelle mir so vor, wie du im Lockdown abends auf dem Sofa hockst und völlig gelangweilt mit blutunterlaufenen Augen und leerem Blick vor dich auf der Gitarre hindengelst, weil du nicht weißt, was du sonst machen sollst. Bei mir hat das Stück so gar keinen Eindruck hinterlassen.

„PHUNKY GUITAR NR. 7: Die Vorliebe zu funky-grooviger Gitarrenarbeit mit Freiraum für Improvisationen liegt mir in der DNA. Hier lebe ich diese musikalische Vorliebe mit Unterstützung von Achim Gössl an Orgel und Keys, Claus Bubik am Bass und Jan Hees am Schlagzeug genüsslich aus.“

Jawoll, Jochen lebt wieder. Spritzige Nummer, macht Laune. Punkt. Punkt. Komma. Strich.

„WHEN IT´S OVER: Eine entspannt rollende Instrumental-Ballade mit eingängiger Melodielinie über melancholischen Akkorden. Eines meiner Lieblingsstücke auf dem Album.“

Perfektes Lied für auf dem Balkon sitzen, die Abendsonne genießen, was zu tun war, ist getan, es geht einem gut, das Weinschorle schmeckt und die Ohren entspannen mit. Ich habe es ausprobiert, funktioniert einwandfrei.

„TWANGLAND: Hier wurde die Telecaster ausgepackt und dem Twang der Telecaster im Countrystyle gehuldigt. Der treibende Groove und die zickigen Rhythmus-Gitarren geben dem Song Charakter und aktivieren nicht nur den Fuß zum Mitgrooven.“

„And now, the art of Duane Eddy, the noise of Twang, the sound of Peter Gunn“. 😀 Witziger Song (und einer meiner Seven-Lieblinge), den ich gerne mal für irgendein ebenso witziges Video verwenden würde. Im Twangland sind das Leben einfach und bonbonfarben, die Dinge schmecken nach lustig. Ein Ort, der einen ein bisschen traurig werden lässt, wenn man ihn verlässt. Aber man weiß, wenn man noch länger bleibt, ist das nicht gut für die Zähne.

„BLUES FOR ME: Der Blues ist trotz aller Liebe zu verschiedenen Musikstyles meine Kernkompetenz. Ein langsamer Blues über den ich solieren darf … und ich bin glücklich. Dieses persönliche Glücksgefühl und die Spielfreude an der Gitarre wird mir nie langweilig.“

War das alles bisher ein angenehmer Zeitvertreib und nette Fingerübungen auf der Gitarre für Jochen auf dem Sofa, wird es kurz vor Albumende intimer auf dem roten Sofa. Die gefühlvolle Bluesnummer macht auch mich beim Hören auf so eine Weise glücklich, wie es eben nur ein Blues vermag.

Herausgekommen ist mit „Seven“ vermutlich kein Album, das im Mainstream-Radio laufen wird. Höchstens vielleicht als Soundbett beim Wetterbericht oder Intro bei einem Hörspiel. Was natürlich auch eine Würdigung sein kann. Aber Gitarrenliebhaber werden an den Songs ihre Freude haben, vielleicht kann man sogar noch selbst über die Songs selbst Musik spielen. Jochen hat auf jeden Fall definitiv in der Corona-Zeit nichts von seinem Können an der Gitarre eingebüßt.

Ich muss gestehen: seit ich Ukulele lerne, höre ich gerade Gitarrenstücken etwas anders zu. Nicht dass ich mich durch mein amateurhaftes Rumzupfen auf der kleinen Viersaiterin da groß musikalisch auskennen würde. Aber eine kleine Tür ins Musikuniversum wurde mir aufgestoßen und weiß solche Musikfrickeleien, wie Jochen Volperts Album „Seven“, noch mehr als zuvor zu würdigen.

Wer das Album kaufen oder streamen will: Auf Jochens Webseite gibt es die Links dazu.

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