Für die Wissenschaft Lichter jagen in der Dunkelheit

Ein bisschen komisch war es ja schon. Vor einer Woche bin ich im Dunkeln durch das untere Frauenland gelaufen und bin alle paar Meter vor einem Haus stehengeblieben und habe es angeschaut. Unbeteiligte Passanten könnten mich für einen potenziellen Einbrecher gehalten haben, der lohnenswerte Objekte ausspäht, aber in Wirklichkeit ich war im Auftrag der Wissenschaft unterwegs.

Die Nachtlichter-App bzw mobile Webseite.

„Nachtlichter“ heißt das Bürgerwissenschafts-Projekt, bei dem es darum geht, Lichtquellen in der Stadt zu zählen und zu klassifizieren. Podcasthörerinnen und -hörer wissen Bescheid. Denn die Wissenschaft weiß, dass die Nächte in Städten und Dörfer immer heller werden — Stichwort Lichtverschmutzung –, dafür gibt es Satellitenaufnahmen. Aber aus den Aufnahmen geht nicht hervor, aus welchen Quellen diese Lichter kommen. Werden es mehr Quellen? Werden die Quellen heller? Die Auflösung der der Satellitenbilder ist viel zu gering, um diese Frage zu beantworten. Hand- und Fußarbeit ist gefragt. Dafür müssen Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gehen und zählen.

Das Deutsche Geoforschungszentrum des Helmholtz-Zentrums Potsdam forscht daran und hat eine App entwickelt, mit der jede und jeder Lichtquellen zählen kann. (Nennt sich App, ist aber eigentlich eine Webseite) Nicht überall, nur einige Städte und Gemeinden in Deutschland und Europa nehmen daran teil und dort auch nur wenigen nur einige Bereiche exemplarisch vermessen. Hier in Würzburg sind es ein Teil des Frauenlands und der Innenstadt. Diese beiden Bereiche sind nochmal in Straßenabschnitte, sogenannte Transekte, unterteilt. Mit der App zählt man alle Straßenlaternen, beleuchteten Fenster, Außenlichter, beleuchtete Klingeln und so weiter. Gespeichert werden die gesamten Zahlen dieses Straßenabschnittes — auch aus Datenschutzgründen.

Um zu wissen, wie man die Lichtquellen klassifizieren und zählen kann, gibt es ein Tutorial, das das Ganze erklärt. Das muss man absolvieren, am Ende des Tutorials bekommen man ein Kennwort, das man für die eigentliche Registrierung bei der Nachtlichter-WebApp benötigt.

Die Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler der Uni, die das Projekt in Würzburg betreuen, bieten auch hin und eine gemeinsame Messrunde in der Nacht an. Aber man kann auch jederzeit alleine — oder vielleicht doch besser mit mehreren? — die Lichtquellen zählen. Straßenabschnitte dürfen auch mehrmals gezählt werden. Zu jeder Uhrzeit können die Ergebnisse anders sein und jeder Mensch zählt vielleicht auch ein wenig anders, es gibt öfters mal Lichtquellen, die man so oder so einordnen könnte.

Update: Wie gerade in der Hightlights-Show erwähnt wurde: Der nächste Rundgang ist am Dienstag, 5. Oktober, um 20 Uhr. Treffpunkt ist der Kupsch im Frauenland, Brettreichstraße Ecke Erthalstraße.

Screenshot Youtube-Livestream Highlights-Show

Die gesammelten Daten stehen nicht nur den Wissenschaftlern, sondern allen zur Verfügung — Open Data bzw. Open Access. Sehr schön.

Es macht Spaß, die Daten bei einem Spaziergang durch die Dunkelheit zu sammeln. Aber ich bin auch froh, wenn ich bei einem Treffen man eine Reflektorweste mit dem Nachtlichter-Logo bekommen. Dann werde ich vielleicht nicht ganz so schnell mit einem Einbrecher verwechselt.

Ich beim Zählen von Lichtquellen im unteren Frauenland.

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