Haben Sie reserviert?

Vergangenen Samstag bin ich mit einer Freundin in Würzburg Essen gegangen. Auf die Idee sind wir am Abend zuvor gekommen. Besser wäre es gewesen, wir wären einen Monat vorher auf die Idee gekommen. Denn ich war schon kurz davor, selbst für uns zu kochen. Weil ich so gut kochen kann? Das stimmt zwar, aber deswegen nicht.

In Würzburg ist es offensichtlich kaum noch möglich, einfach mal so spontan Essen zu gehen. Ohne Reservierung läuft da oft nix. An Wochenenden gleich mal oft gar nix. Am Freitagabend hatte ich leider nur die Zeit, erfolglos in vier Restaurants anzurufen. Auf weitere fünf Absagen musste ich bis Samstagvormittag warten. Und ich rede hier nicht von der High-End-Gastronomie, sondern von ganz normalen Lokalen. Dann Samstagmittag der erlösende Anruf — ich habe zwei Plätze im Restaurant Mera Tapas im ZE-Haus ergattern können. An der Theke, die Tische waren alle belegt. Neun Anrufe für zwei Thekenplätze. So läuft das jetzt wohl.

Ohne Reservierung bleibt Essen gehen ein Abenteuer. Ein Phänomen, dass selbst ich als Selten-Essen-Geher (ja, ich koche nicht nur gut, sondern auch gern) in den vergangenen Jahren immer öfter erlebt hatte. Nicht nur in der Essens-Gastronomie. Die Main-Post (€) hat vergangene Woche darüber berichtet. Kurzversion: Personalmangel. Die Kurzversion meiner Stimmungslage dazu: Frust.

Gut, die Langversion meiner Kurzversion enthält viel Verständnis für die Gastronomie aus vielerlei Gründen. Auch viele Fragezeichen, warum niemand mehr in der Gastro arbeiten will. Vor nicht so wenigen Jahren war das in Würzburg ein begehrter Nebenverdienst für Studierende. Warum jetzt nicht mehr? Ist es nur eine Frage von Gehalt und Arbeitszeiten? Gehen einfach auch mehr Leute weg als sonst, vielleicht auch als Corona-Nachhol-Effekt? Sollen die Lokale auf Reservierungen verzichten und ausschließlich nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ arbeiten? Kippt das Ganze von Seiten der Gäste aus mal in die andere Richtung, weil niemand mehr Bock hat, ständig für alles mögliche im Voraus reservieren zu müssen? Oder wollen die Gäste auch lieber reservieren, weil niemand mehr einfach so durch Kneipen, Cafés und Restaurants streifen will? Ist meine doch eher spontane Lebensweise einfach nicht mehr zeitgemäß? Muss ich ehrenamtlich als Bedienung oder in der Küche arbeiten, damit sich die Situation entspannt?

Ich habe da keine Antworten drauf. Ich weiß nur, dass dieser Reservierungsdruck mir etwas den Spaß am Weggehen nimmt. „Hast du reserviert?“ oder noch schlimmer: „Haben Sie reserviert?“ Wenn ich so schon am Eingang abgefangen werde, sinkt meine Laune und meine Hoffnung auf einen Platz im Lokal.

Es ist ja nicht so, dass ich früher immer in jeder Kneipe oder jedem Lokal spontan einen Platz bekommen hätte. Aber es gab doch meist eine realistische Chance, an dem Abend einen Platz woanders zu bekommen. Was auch dazu geführt hat, dass ich die Gastronomie in Würzburg kennenlernen durfte, auch die Läden, die ich nicht so auf dem Schirm hatte. In den vergangenen Monaten gab es aber schon Tage und Abende, wo ich nach über einer Stunde dann aufgab. Wobei ich nicht sicher bin, ob das wirklich ein ganz allgemeines Phänomen ist oder ich einfach nur Pech mit meinen Vorliebe für manche Lokale und die Innenstadt habe.

Da kann ich hier noch so sehr vor mich hin schreiben, es wird nichts ändern. Ich habe keine wirkliche Lösung für das Problem. Fällt euch was ein? Mir irgendwie nicht. Außer ein Lokal zu eröffnen und alles ganz anders und viel besser machen. Aber das mag ich nicht, kann ich nicht und vor allem habe ich nicht die geringste Idee, wie.

Ich hoffe einfach nur, dass sich das alles mal wieder entspannt und bin freundlich zu den Bedienungen und großzügig mit dem Trinkgeld — damit wenigstens nicht ich daran Schuld bin, dass niemand mehr Bock auf Gastrojobs hat.

Übrigens — der Abend im Mera Tapas am vergangenen Samstag war dann doch sehr schön. An der Theke war es recht gemütlich, auch wenn sie immer wieder mal andere Gäste auf dem Weg zur Toilette an uns vorbei schoben. Das Essen war richtig lecker und die Bedienungen total nett und aufmerksam. Danke dafür!

Übrigens übrigens: Als ich die letzten Zeilen schrieb, saß ich im Unicafé. Oben, da wo es schön und gemütlich ist. Und ohne Reservierung. Es klappt also schon nach wie vor, auf gut Glück in ein Café zu gehen und einen Platz zu bekommen. Zumindest am Vormittag, je nach Lokal. Manchmal auch am Nachmittag. Und hin und wieder auch mal am Abend. Aber ich freue mich jedes Mal, wenn ich irgendwo einen Platz in netter Umgebung mit netten Menschen um mich herum bekomme.

1 Gedanke zu „Haben Sie reserviert?“

  1. Das ist uns auch schon aufgefallen. In den Corona-Jahren wurde aus guten Gründen stark mit Reservierungen gearbeitet. Ich glaube, dass sich die Menschen auch daran gewöhnt haben. Ob der Personalmangel immer daran schuld ich, glaube ich nicht. Die Lokale in der Altstadt wären auch voll, wenn man nicht reservieren müsste und der Personalbedarf der gleiche.
    Wir gehen wegen der Kinder so selten Essen, dass wir ohnehin immer schon einen Tisch reserviert haben. Aber ich verstehe dass das für Manche (oder Viele) auch ein Abturner ist und das Ausgehen zur Formsache macht.
    Die Idee eines Lokals mit dem Konzept keine Möglichkeiten zum Reservieren zu bieten, finde ich spannend. Ich weiß nicht ob das Lokal erfolgreich wäre, aber ich finde es spannend. ^ ^

    Antworten

Schreibe einen Kommentar