Ja, ich wurde schon ein wenig hippelig. Ende Februar habe ich die Tomaten für diese Saison gesät und ich wurde nach zehn Tagen schon völlig unruhig, weil in dem Eierkarton auf dem Fensterbrett nur braune Erde zu sehen war und kein Fitzelchen Grün. War es den Samen zu kalt im meist unbeheizten Kämmerchen? Hatte ich die Samen den Winter über falsch gelagert oder sie falsch aus den Elternpflanzen rausgepopelt?
Dann gestern die Entwarnung — am bundesweiten Warntag, Ha! — am Morgen: Die ersten zarten Tomatentriebe waren zu sehen. Und ich bin immer wieder aufs neue von Naturvorgängen aufs Tiefste fasziniert. Über Nacht sind die Mini-Pflänzchen durch die Erde geschossen, manche schon mit verhältnismäßig großen Blättchen. Irre!
Zu dieser großen Freude — ich bin mir sicher, dass sich die Geburt eines Kindes für die Eltern exakt so anfühlen muss, das kann man schon gleichsetzen — gesellte sich aber auch gleich großes Entsetzen. Durch das Gießen war die Beschriftung auf den Namenschildchen weggespült worden. Welches Pflänzchen gehört zu welcher Tomatensorten. Das muss so sein, als wenn man als Eltern von Mehrlingskindern nicht mehr weiß, welches Kind wie heißt.
Klar, wenn die Tomaten ausgewachsen sind und Früchte tragen, hätte ich die Sorten natürlich wieder erkannt. Aber es wäre sehr gut, dass schon vorher zu wissen. Also wurde Forensik betrieben. Zum Glück hatte ich ja ein Foto von der Aussaat gemacht. Bloß steht der Eierkarton genauso herum wie auf dem Foto? Wir verglichen die Spitzen des Eierkartons und die Menge an Tinte in den verwaschenen Fähnchen mit der Textmenge und -ausrichtung der frisch geschriebenen Schildchen auf dem Foto. Und nun sind wir sicher. So einigermaßen sicher. In ein paar Monaten ganz sicher. Daumen drücken.
Jahrelanges Escape-Rätseln zahlt sich aus.