Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, die Karten fürs Filmwochenende waren dann gekauft und ab ging’s am Donnerstag zum ersten Film.
Ich gebe es zu: Ich bin wahrlich kein Anime-Kenner. Ihr wisst schon, diese japanischen Zeichentrickfilme. Ok, Namen wie „Studio Ghibli“ habe ich schon mal gehört — musste aber nachschauen, wie man das schreibt — und „Chihiros Reise ins Zauberland“ sogar schon gesehen, aber so richtig tief bin ich nie eingetaucht. Trotzdem saß ich am Donnerstag bei meinem ersten Film des Filmwochenendes gleich im Siebold-Museum auf einem Klappstuhl, ein Glas Silvaner in der Hand, und war gespannt auf „Time of Eve“ — im japanischen Original mit deutschen Untertiteln.

Die Geschichte spielt in einer Zukunft, in der Menschen sich von extrem menschenähnlichen Androiden bedienen lassen. Die Maschinen müssen sich Regeln — nicht so benannt, aber im Grunde die drei Asimov’schen Robotergesetze — halten, scheinbar ohne Emotionen, die Gesellschaft sieht sie eher als Werkzeuge. Doch dann entdecken zwei junge Männer in einer abgelegenen Gasse ein kleines Café mit einer besonderen Regel: Hier gibt es keinen Unterschied zwischen Mensch und Maschine. Alle Gäste werden gleich behandelt. Denn kaum jemand dort weiß, wer ist Mensch, wer ist Roboter, was zu interessanten Begegnungen, Gesprächen und Situationen führt. Was macht den Mensch zum Menschen, was macht eine Maschine zur Maschine? Wie groß sind die Unterschiede wirklich? In Zeiten großer Sprachmodelle im echten Leben keine uninteressante Frage.
Der Film sich meiner Meinung nach schon sehr von der Roboter-Romanreihe Isaac Asimovs inspirieren lassen, insbesondere von „The Naked Sun“ und „The Robots of Dawn„. (Schon gehört? „The Caves of Steel“ soll nach langer Zeit mal wieder verfilmt werden!). Nicht schlecht gemacht, dieser Anime-Streifen, unterhaltsam und durchaus nicht platt oder oberflächlich. Der Film spielt vor allem in dem Café „Time of Eve“, fast schon ein Kammerspiel.
Die Kurzen
Später am Abend, nach einer Pause, die ich in der Maschinenhalle verbrachte und die Festivalstimmung genossen habe, ging es zum ersten Pflichttermin für mich an jedem Filmwochenende — dem ersten Kurzfilmblock. Diesmal wurde die kurzen Realfilme und kurzen Animationsfilme ein jeweils einen Block gepackt. Ich bin mir im Nachhinein selbst nicht sicher, ob ich das gut fand. Vielleicht fairer in Sachen Kurzfilm-Wettbewerb, aber irgendwie ging mir die Mischung etwas ab.

Und keine Ahnung, ob es an dieser Trennung der Macharten lag, die für mich auch einen Vergleich mit Kurzfilmblöcken früherer Jahre etwa schwierig machte, aber ich fand die animierten Kurzfilmblöcke — denn da war ich am Freitagnachmittag — im Schnitt deutlich besser als die Real-Kurzfilme. Die waren wirklich gut, da war für mich kein einziger Totalausfall dabei. Aber die animierten Filme in ihrer großen stilistischen Bandbreite und ihrer Vielfalt, was Tiefsinnigkeit, Humor oder Ästhetik angeht — da haben mich mehr auf ganz unterschiedliche Weise berührt.
Lauter Stummfilm
Der letzte Film für mich beim Filmwochenende gab es am Sonntagvormittag. Ja, dafür habe ich sogar die Sendung mit der Maus geopfert! Es war Stummfilm-Zeit. Ich habe mir schon oft Stummfilme mit live gespielter Musik angeschaut und eben auch angehört. Das erzeugt eine tolle Stimmung. Ich mag das. Und wenn ich mal besser mit dem Theremin bin, dann … naja, mal schauen.

Am Sonntag gab es beim Filmwochenende den Stummfilm „The Black Pirate“ aus dem Jahr 1926 nicht nur mit toller Musik vom großartigen Gerhard Gruber. Doch nicht genug, diesmal gab es noch was obendrauf, was es in den Anfangszeiten des Stummfilms gab: einen Filmerzähler. Und davon gibt es laut Ralph Turnheim heutzutage nur noch einen — nämlich ihn selbst. Der gebürtige Wiener Schauspieler erzählt nicht einfach die Handlung des Films, er macht das in Versform. Wer noch die deutsche Version der Zeichentrickserie „Der rosarote Panther“ kennt, kann sich den Stil vorstellen, denn genau so klingt das. Und durch diese Serie wurde Turnheim auch zu diesem Format inspiriert, vertonte viele Stummfilme mit seiner Stimme, oft auch mit musikalischer Unterstützung von Gerhard Gruber.

Ich muss zugeben, dass ich in den ersten Minuten des Films nicht genau wusste, ob ich den Filmerzähler mochte. Es war ungewohnt, dass jemand zum Film spricht. Und viele Deutsche mögen angeblich den sächsischen Dialekt nicht. Geht mir nicht so, dafür mag ich beispielsweise den Wiener Dialekt nicht — und den setzte Ralph Turnheim beim Reimen massiv ein. Aber die ersten Minuten vergingen und mir begann das Ganze richtig Spaß zu machen. Ok, die Verse brachten deutlich mehr Humor in den Film, als Douglas Fairbanks vor fast 100 Jahren vermutlich beabsichtigte (wobei der Film durchaus bewusst lustige Stellen hat).
Besonderes Bonbon bei dem Film: er war einer der ersten Farbfilme Hollywoods. Noch nur in mit zwei Farben gefilmt, Grün und Rot. Beim Filmwochenende wurde „The Black Pirate“ in einer restaurierten Fassung gezeigt und hatte einen interessanten optischen Charme. Schon alleine deswegen war er sehenswert.
Am Mittwoch, 5. Februar 2025, kann man Ralf Turnheim übrigens im Casablanca in Ochsenfurt sehen und hören, wie er drei Laurel & Hardy-Stummfilme verstimmt.
Ach ja: Die Karten für die Stummfilm-Matinee wurde mir beim versuchten Online-Ticketverkauf zum Verhängnis. Denn die Klammern im Titel killten die Schnittstelle zur Bezahlfunktion, extrem vereinfacht gesagt. Filmwochenende Chef-Techniker Sebastian schickte mir noch in derselben Nacht eine lange Mail, in der er mir erklärte, wie es zum Fehler kam. Kurzversion: Lückenhafte Dokumentationen von Schnittstellen können Probleme bereiten.
Das war es dann schon für mich beim Filmwochenende. Vier Filme — oder 18 Filme, je nach Rechnung –, das war sicher kein Rekord für mich. Aber damit kam ich gut zurecht und das Wochenende hat mich nicht völlig erschöpft. Und trotzdem konnte ich nicht nur die Filme, sondern auch die Festivalatmosphäre genießen und habe viele Freunde und Bekannte getroffen — darunter natürlich auch Medienhobbit Marius, dessen „Unter Vieraugen“-Podcast mit seinem Partner Johannes mir im vergangenen Jahr mehr Freude gemacht hat, als ich zuerst vermutete (nicht weil er schlecht war, sondern weil ich eigentlich kein Film- und Serienexperte bin). Im Vieraugen-Blog finden sich von ihm übrigens auch ernsthafte Filmkritiken vom Filmwochenende, nicht so ein Amateurgefasel wie bei mir.
