Hallo und vielen Dank für deine coole Rezension – war richtig schön, sie zu lesen!
Zur Konzeption des Stücks: Am Anfang stand tatsächlich die Überlegung im Raum, ob ich als Regisseur eine klassische Zwei-Stunden-Fassung machen solle. Ich hatte aber schnell das Gefühl, dass so ein Format der inhaltlichen und stilistischen Komplexität von H. G. Wells nicht gerecht wird. Deshalb haben ich mich für ein episodenhaftes Konzept entschieden. Es sollte ein Zweiteiler werden. Gerade weil das Buch für mich seinen eigentlichen Höhepunkt nicht unbedingt in der Handlung, sondern in den tieferliegenden gesellschafts- und erkenntniskritischen Gedanken erreicht.
Was ich an der Vorlage besonders spannend finde, ist, dass sich unter dem wissenschaftlich-technischen Aufbau noch eine zweite Ebene verbirgt – eine sozialpsychologische, fast schon sozioanalytische Dimension. Diese wollten ich vor allem in der ersten Episode anreißen, allerdings eher subtil, eben so, wie auch Wells es im Original macht: beiläufig, nicht belehrend. Das Stück ist deshalb so angelegt, dass man viele Aspekte vielleicht erst bei mehrfacher Auseinandersetzung mit Buch, Theater oder Film erkennt.
Inhaltlich habe ich mich dabei eng an den Originaltext gehalten – allerdings in der Fassung des Anaconda-Verlags, die ich sprachlich runder finde als die bei Gutenberg. In dieser Version wird auch das 19. Jahrhundert kurz erwähnt 😉
Zur Figurengestaltung: Die beiden Zeitreisenden stehen meiner Konzeption nach nicht nur für ein Vorher und Nachher, sondern auch für zwei emotionale Seiten derselben Figur – eine rationalere und eine impulsivere. Mir ging es darum zu zeigen, wie jemand, der in seiner Kindheit soziale Verunsicherung erlebt hat, später zwischen Überanpassung und Überreaktion schwankt – und was das möglicherweise auch beim Gegenüber (oder evtl. direkt beim Zuschauer) auslöst. Der Zeitreisende lässt sich mal zu viel gefallen, mal geht er zu weit – aber er findet nie ganz in die Mitte. Gerade das war für mich zentral: zu zeigen, wie ihm eine innere Orientierung fehlt, ohne diese Unausgeglichenheit zu pathologisieren.
Gleichzeitig war es mir wichtig, auch die andere Seite mitzudenken – also das Umfeld. Denn der Umgang mit jemandem, der sich so verhält, kann herausfordernd sein. Trotzdem wollten wir betonen, wie entscheidend es ist, diesem Menschen – also den „Zeitreisenden“ – nicht vorschnell zu verurteilen, sondern ihm mit Verständnis und Offenheit zu begegnen, auch wenn das manchmal schwerfällt. Der Prolog und Szene 2 greifen genau diese unterschiedlichen Perspektiven auf.
Die Aufteilung der Rolle hatte also vor allem eine konzeptionelle Funktion – und war keine Folge von Textlernproblemen. 😉
Zudem wurde das Stück bewusst an dieser Stelle beendet, weil sich im philosophischen Monolog selbst bereits ein leiser Zweifel mittransportiert. Obwohl die Worte teilweise hoffnungsvoll klingen, wird direkt davor und danach mehrfach angedeutet, dass „die Menschheit im Stadium ihres Verfalls“ steckt und dass „falsche Theorien das gerne sind“. Auch wenn der Text sich rhetorisch erhebt, bleibt diese Ambivalenz im Raum. Für mich war das ein guter Moment, einen Gedanken offen stehen zu lassen, ohne ihn durch ein finales Bild zu bestätigen oder zu widerlegen.
Nochmals vielen Dank für deine differenzierte und wertschätzende Auseinandersetzung – das bedeutet mir wirklich viel. Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit, dich persönlich kennenzulernen. Vielleicht ergibt sich das ja noch bei einem weiteren Besuch – ich würde mich auf jeden Fall sehr freuen, wenn du nochmal vorbeischaust. Vielleicht ergibt sich dann ja ein direktes Gespräch.