Das intensive Spiel des Dorian Gray

Meine Serie von Theaterbesuchen in diesem Herbst reißt nicht ab. Am Samstag war ich mal wieder im Theater-Ensemble auf dem Bürgerbräu-Gelände. Gespielt wurde an dem Abend der einzige Roman von Oscar Wilde, „Das Bildnis des Dorian Gray“. Den ich nie gelesen habe, ich kenne nur ein paar Verfilmungen und Zitate in der Popkultur. Und jetzt ein klassisch inszeniertes Theaterstück.

Ich war an diesem Abend mit fast den gleichen Leuten im Theater-Ensemble wie im Sommer bei „Die Zeitmaschine“, und so durften ein paar Scherze vor der Vorführung nicht fehlen, ob wir auch das Ende des Dorian Gray erleben dürfen. Spoiler: Wir durften.

Die Handlung in aller Kürze: Schöner Mann wird gemalt, findet sich auf dem Bild toll, wünscht sich, dass er immer so aussieht wie auf dem Bild, Wunsch erfüllt sich, Verfall durch Alter, Sünden, Verbrechen, Lebenswandel gehen immer auf das Bild über, Mann bleibt jung, freundet sich mit adligem Zyniker an, treibt Freundin in Selbstmord, lässt keine Unmoral aus, ermordet Maler, erpresst Freund, Leiche verschwinden zu lassen, Freunde begeht Selbstmord, hat Existenzkrise, zerstört Bild, Leiche eines hässlichen, alten Mannes wird vor Bild von jungen schönen Mann gefunden.

Das Atelier, in dem die Geschichte des Dorian Gray seinen Lauf nahm.

In dem Stoff steckt natürlich viel drin bzw. man kann viel hinein interpretieren. Die Frage nach Schuld, Gewissen, Vergebung. Die Frage nach Selbstverwirklichung, Selbstoptimierung und deren Grenzen. Schönheit, Freiheit, Moral … und so weiter. Und das alles in dieser geschliffenen Oscar-Wilde-Sprache (in der deutschen Übersetzung natürlich), die ich gerne mag (so wie damals bei „Bunbury“, da war es allerdings ein bisschen anstrengend auf Dauer). Und ich könnte mir vorstellen, dass die Sprache und die Textmenge nicht ganz einfach für die vier Schauspielerinnen und Schauspieler ist. Da kann man nicht zur Not einfach frei improvisieren, sondern muss die langen Wildeschen-Satzkonstruktionen sinnvoll zu einem Ende bringen. Da hilft nur viel Text auswendig lernen — nix für mich also. Und das haben alle Vier sehr gut hinbekommen, meine Bewunderung dafür. Wobei im Gegensatz zu „Die Zeitmaschine“ bei „Dorian Gray“ mehr Dialoge sind, die dem Textgedächtnis ein bisschen auf die Sprünge helfen könnten. Also nicht nur so endlose Monologe wie bei der Zeitmaschine.

Wie bei den kleinen Bühnen oft, spielten die meisten Schauspielerinnen und Schauspieler mehrere Rollen. Annika Moucha alleine fünf, von denen ich ein paar kleinere Rollen etwas übertrieben dargestellt fand — aber vielleicht auch, um sie besser unterscheidbar zu machen. Als Maler Basil war sie toll. Durch die Bank spielten das Ensemble aber alle wirklich sehr gut — Elias Felder als Dorian Gray war aber aus meiner Sicht eine noch mehr herausragende Leistung. Gerade in der zweiten Hälfte spielte er die Zerrissenheit und Abgründigkeit von Dorian Gray mit einer im wahrsten Sinne des Wortes irrsinnigen Intensität.

Einschub: Überhaupt finde ich, dass das schauspielerische Niveau der kleinen freien Bühnen in Würzburg in den vergangenen Jahren nochmal gestiegen ist. Nicht dass es früher schlecht war, aber man merkte doch hin und wieder, dass da Laien in ihrer Freizeit Theater spielen. Was auch völlig in Ordnung war. Aber in Ordnung ist es auch jetzt.

Toller Theaterabend in dem sehr gut gefüllten Theater-Ensemble. So gut, dass wir dort sogar gleich unseren traditionellen Absacker-Schoppen getrunken haben. Fotos von der Vorstellung habe ich diesmal nicht, ich hatte keine Lust, nach Erlaubnis zu fragen.

Bis 29. November 2025 gibt es noch Vorführungen von Dorian Gray im Theater-Ensemble, teilweise gibt es Karten aber nur noch an der Abendkasse.

1 Gedanke zu „Das intensive Spiel des Dorian Gray“

  1. Das hast Du ganz wunderbar zusammengefasst. Kann mich Dir nur anschließen. Gratulation an die Darsteller:innen. Der hat hat gezeigt, was Theater auszeichnet und wieso (hoffentlich) ein Theater immer Platz in der Gesellschaft findet. Nicht nur meine Meinung, denn das Theater war total voll und ausverkauft.

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